Tränen aus Feenstaub
Wenn du zu so einer Motorradclique gehörst, bist du selbst mit einundzwanzig steinalt!“
Severin sprach, als ob er sich auskannte. Mehr noch, es hörte sich sogar so an, als ob er Finn einer bestimmten Gruppe zuordnen konnte.
„Willst du damit vielleicht sagen, dass du ihn kennst?“
Sollte das wirklich der Fall sein, wäre ihre Theorie von einer Phantsiegestalt widerlegt. Daher war Pina auf seine Antwort sehr gespannt.
„Kennen ist zu viel gesagt. Aber ich glaube, ich habe ihn schon ein paarmal gesehen.“
„Wo?“
„Du kannst Fragen stellen!“
„Wo?“, wiederholte Pina ungeduldig.
„Bei Sante, in der Eisdiele. Aber wenn du ihn kennst, müsstest du das eigentlich selbst wissen!“
Den letzten Teil dieser Aussage überging Pina. „Bei Sante? Bist du sicher? Ich habe da noch nie Biker gesehen.“
„Wie auch“, schüttelte Severin den Kopf. „Du hängst da ja nur am Nachmittag rum, zur Kinderstunde!“
Das war jetzt ein bisschen gemein. Denn für die meisten Menschen wurde eine Eisdiele mit Sonne, Sommer und Ferien in Verbindung gebracht. Für nächtliche Aktivitäten gab es Clubs und Discos.
„Bis jetzt habe ich noch nicht entdeckt, wie aufregend Eisessen im Dunklen sein soll“, gab Pina ironisch zurück.
„Nicht das Eisessen, sondern die Leute, die am Abend dort hingehen, machen die Aufregung aus.“ Und dann gab Severin ihr noch einen Tipp, bevor er sich endlich auf seinen Schulweg machte.
„Lass lieber die Finger von diesem Finn, für einen Biker als Freund fehlt dir der nötige Biss!“
* * *
„Das wurde aber auch Zeit!“, blaffte Finn Pina an, kaum dass sie in ihre Traumwelt eingetaucht war.
„Ich freue mich auch“, überging das Mädchen die harschen Begrüßungsworte.
Dass Finns miese Laune daher rührte, dass er sich Sorgen gemacht hatte, wollte er natürlich nicht zugeben. Er war doch sehr beunruhigt gewesen und hatte sich gefragt, was mit ihm passieren würde, wenn das Mädchen nicht mehr auftauchte. Was angesichts ihres starken Fiebers vor zwei Tagen durchaus im Bereich des Möglichen gelegen hatte. Schließlich war sie seine einzige Verbindung zur realen Welt. Und seine unfreundlichen Worte zur Begrüßung überspielten nur die enorme Erleichterung sie wiederzusehen.
„Geht es dir heute besser?“, zwang sich Finn zu einer höflichen Frage.
Eigentlich war diese Frage überflüssig. Man musste sich nur den Tag ansehen, den sie heute hatten. Strahlender Sonnenschein an den schon vertrauten Docks, an denen all die wunderschönen Segelschiffe lagen. Etwas, was zeigte, dass in Pinas Traumwelt wieder alles in Ordnung war.
Pina trug an diesem warmen Sommertag ein weitschwingendes buntes Sommerkleid. Ihre langen Haare wurden von einem luftigen Band zusammengehalten. Keine einzige Wolke war am Himmel zu sehen und die Sommersonne wärmte auf angenehme Weise die Haut. Würzige Seeluft stieg ihnen in die Nase und kreischende Möwen stürzten sich neben den Schiffen ins Wasser, um Beute zu machen.
Pina hatte nur noch sehr verschwommene Erinnerungen an die Nacht ihres Fiebers. Sie konnte sich noch daran erinnern, dass sie sich extrem schlecht gefühlt hatte. Und sie wusste noch, dass Finn da gewesen war und ihr beigestanden hatte. Auch das Unwetter war noch in ihrem Kopf präsent und Finn, der ihren schlechten Gesundheitszustand dafür verantwortlich gemacht hatte.
Wenn man also davon ausging, dass das Klima ihrer Traumwelt ihre Verfassung wiedergab, dann musste es ihr augenscheinlich gutgehen. Und wenn Finn seine Augen aufmachen würde, müsste er das schon längst selbst bemerkt haben.
„Ich habe auf jeden Fall kein Fieber mehr“, beantwortete sie daher Finns Frage. „War es sehr schlimm beim letzten Mal?“
„Nachdem der Sturm abgeklungen war und der Regen aufgehört hatte, war es fast erträglich“, beschrieb Finn grob die Situation.
Pina hatte ein schlechtes Gewissen. „War ich wirklich dafür verantwortlich?“
„Sah ganz danach aus“, bestätigte Finn. „Je besser es dir ging, um so besser wurde auch das Wetter. Siehst du jetzt, dass alles, was hier passiert, von dir ausgeht?“, griff er das Thema gleich auf, über das sie sich schon öfter gestritten hatten.
Dieses Mal stritt es Pina nicht ab. Severins Mitteilung, dass er Finn aus der Eisdiele kannte, war ihr noch zu gut in Erinnerung. Vielleicht lag ja hier der Schlüssel des Rätsels, warum Pina diesen Biker in ihrer Traumwelt hatte.
„Es gibt da etwas, was ich dich fragen muss“, begann Pina
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