Tränen aus Gold
Was könnte ein einzelner wie ich ausrichten?«
»Seid versichert, daß Ihr nicht allein wärt. Wir haben in England Leute, die Euch helfen würden. Es gibt aber auch viele, die es für den einfacheren Weg hielten, Elizabeth erst aus dem Weg zu schaffen, ehe man Mary befreit.«
»Was schlagt Ihr vor?« fragte Maxim schroff. »Soll man Mary zur Flucht verhelfen oder die Königin töten?«
Hillert wich Maxims Blick aus. Er überdachte seine letzte Frage, dann stemmte er sich entschlossen hoch und ging an einen hohen verglasten Schrank, der mit Büchern aller Größe und jeden Formats eine ganze Wand einnahm. In seinem Blick, den er über die Schulter Maxim zuwarf, paarten sich Habgier und Lust.
»Kommt. Ich möchte Euch etwas zeigen.« Er drückte eine unsichtbare Sperre und stemmte sich gegen den Schrank, der sich lautlos zu bewegen begann. Dahinter kam eine Tür zum Vorschein. Maxim folgte seinem Gastgeber, bis sie eine hohe, schmale, von einem primitiven Holzgeländer geschützte Galerie erreichten. Laternen hingen von Balken und brachten Licht in das Lagerhaus von geradezu höhlenartigen Ausmaßen. Endlose Reihen von Steigen, Kisten, Ballen und Fässern waren hier gelagert. Das metallische Schimmern von Äxten und Lanzen zeigte an, daß eine bewaffnete Wachmannschaft ihren Rundgang machte.
Hillert ließ Maxim Zeit, die Dimensionen des Baues auf sich einwirken zu lassen. Als der Engländer sich ihm schließlich fragend zuwandte, grinste der Hanseherr vor habgieriger Freude. »Mit dem, was Ihr hier seht, könnte man einige Könige, besser gesagt, mehrere Königreiche bestechen. Was bereits geschehen ist.« Sein Finger zeigte erklärend herum. »Dort lagern Gewürze, Tee und Seide aus China… und dort Tapisserien, Teppiche und Datteln von Emiren, Beis und Sultanen, die jenseits des Schwarzen Meeres herrschen… und dort drüben die neuesten Lieferungen an Pelzen, Ambra und Honig von den Ostländern und aus den Ostseehäfen.«
Er wandte sich Maxim zu und entblößte seine häßlichen Zähne in einem Grinsen. »Meine Schiffe schaffen Ladung aus allen Teilen der Erde herbei, und ich schicke begehrte und dringend benötigte Waren überallhin… für stattlichen Profit, versteht sich.« Seine Miene verdunkelte sich. »Zumindest tue ich es, solange mir dieser Schurke Drake nicht das Geschäft verdirbt… Das ist der Gedanke, der der Hanse zugrunde liegt – sie ist ein Bund ehrenhafter Kaufleute, die ehrlichen Profit suchen, wo es möglich ist.«
Maxim folgte dem Mann zurück in sein Arbeitszimmer, wobei er sich fragte, mit wieviel Untaten und Toten der Reichtum dieses Mannes erkauft worden war.
»Und jetzt spielt Elizabeth die Unschuldige«, fuhr Hillert wütend fort, »und hetzt Drake und seine Piraten auf uns, nachdem wir mühsam unsere Handelsbeziehungen ausgebaut haben.« Er warf sich in den schweren Sessel. Seine Augen glühten. »Inzwischen hat Elizabeth sogar schon Häscher auf mich angesetzt.«
»Wenn Ihr Elizabeths Heimtücke fürchtet, warum laßt Ihr dann einen bewaffneten Engländer in Eure Nähe? Könnt Ihr mit Sicherheit wissen, was ich vorhabe? Könnte ich nicht von der Königin gesandt sein?« fragte Maxim skeptisch.
Hillert stützte die Ellbogen auf die Armlehnen und legte die fleischigen Finger schräg gegeneinander. »Lord Seymour, die Tatsache, daß Ihr auf Elizabeths Befehl fast auf dem Schafott gelandet wärt, stellt eine gewisse Sicherheit dar. Dennoch bin ich ein vorsichtiger Mann.« Er wies mit der Hand auf die Wand hinter seinem Besucher. »Würdet Ihr Euch mal umdrehen?«
Ein großes, prunkvoll gerahmtes Gemälde war leicht verschoben, so daß man in der Wand dahinter eine Öffnung sehen konnte.
»Seit Eurem Eintreten hält Gustav eine Armbrust mit einem Pfeil direkt auf Euren Rücken gerichtet. Hättet Ihr zur Waffe gegriffen, dann hätten Euch Eure Freunde niemals wieder gesehen.« Hillert nickte nachdenklich.
»Herr Hillert, Eure Vorsichtsmaßnahmen sind bemerkenswert«, setzte Maxim wieder an. »Ihr habt indessen meine Frage nicht beantwortet. Mord oder Flucht?«
»Was immer sich anbietet.« In den grauen Augen schimmerte es sonderbar. »Obwohl ich eigentlich für ersteres plädiere. Auch wenn Mary die Flucht gelänge, könnte sie erst Königin werden, wenn Elizabeth beseitigt ist. Elizabeths Tod ist für Euch gewiß von Nutzen.«
»Ja, und sobald ich den Fuß in eine der königlichen Residenzen setze, würde man mich fassen und in den Tower schaffen, wo mich dann meine
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