Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)
ebenso wenig verstand wie von Frauen im Allgemeinen,
musste er sich geschlagen geben und wenigstens den Versuch starten, ihr zu
vertrauen.
Ein tiefes Seufzen entrang sich
seiner breiten Brust und langsam machte er sich auf den Weg zur Rezeption des
Tempels.
Dort angekommen hinterließ er
eine Notiz für Nahla.
****
Atemlos betrat sie den
Therapieraum Nummer drei. »Es tut mir sehr leid, dass Sie so lange warten
mussten, Kun Sankrit.«
»Oh, das ist schon in Ordnung.
Ich weiß ja, dass Sie viel beschäftigt sind. Helfen Sie mir nur, meine Schmerzen
erträglicher zu machen. Sie sind wieder schlimmer geworden«, seufzte er.
Nahla betrachtete seinen Körper
und versuchte sich ganz auf seine Aura zu konzentrieren. Der Krebs hatte seine
Wirbelsäule angriffen, war zwar erfolgreich operiert worden, aber der Körper
kämpfte noch damit, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen. Seine schmerzenden
Stellen erschienen vor ihrem inneren Auge wie rote Punkte auf seiner Haut.
»Tut es hier weh?«, fragte sie
und berührte leicht den dritten Rückenwirbel.
»Oh Gott, ja, genau da«, stöhnte
er auf.
Eigentlich brauchte sie keine
Antwort von ihren Patienten. Sie fühlte es auch so, aber die Gespräche
beruhigten die Patienten und half ihnen, sich zu entspannen und eine
Kommunikationsebene zu erreichen, auf der sie aufnahmefähig waren für den
Heilungsprozess. Nahla verdrängte die beunruhigenden Gedanken an Sébastien aus
ihrem Kopf und konzentrierte sich jetzt ganz und gar auf den Menschen vor ihr.
Sie bündelte ihre Kräfte und ließ
sie in die sieben kristallenen Steine fließen, die sie mit zarten Fingern auf
seinen Rücken, entlang der Wirbelsäule, legte. Dann ging sie zum Tisch, auf dem
eine silberfarbene Schüssel an Ketten über einer Kerze schwebte.
Vorsichtig löste sie die Ketten
und behutsam senkte sie die Schüssel über seinen Körper. Das erwärmte,
goldschimmernde Öl lief in einem dünnen Rinnsal über die Kristallseine und
sandte seinen betörenden Duft von Neroli durch den Raum. Mit jeder ihrer
Berührungen floss ihr Kharma in die gläsernen Steine und übertrug ihre
Heilungskräfte auf den kranken Körper.
Dann verteilte sie das ÖL und
massierte damit seinen Rücken in einem sanften Rhythmus. Ihre Augen waren
geschlossen und mental nahm sie das Zentrum seines Schmerzes wahr. Zum Schluss
wischte sie das Öl ab.
»So, wir sind fertig. Ich sehe
Sie dann nächste Woche wieder.«
Der alte Mann erhob sich stöhnend
von der Behandlungsliege und griff nach seinem Hemd.
»Nahla, ich weiß gar nicht, wie
ich ohne Sie und Ihre Zauberhände weiterleben sollte. Wissen Sie, vor meiner
Erkrankung war ich ein erfolgreicher Manager in Bangkok. Dank meiner Eltern habe
ich in Harvard studiert und war dann sehr westlich im Denken eingestellt. Der
Buddhismus und das Kharma haben mir, ehrlich gesagt, nicht mehr viel bedeutet.
Und Hexen machten mir Angst. Erst durch meine Krankheit habe ich wieder zu den
Wurzeln meines Glaubens zurückgefunden. Ohne Ihre magischen Massagen würde ich
die Schmerzen gar nicht überstehen. Wenn es irgendetwas gibt, was ich für Sie
oder den Tempel tun kann, dann sagen Sie es mir.«
Nahla freute sich über das Lob
und lächelte ihn schüchtern an.
»Das Wissen, Ihnen helfen zu
können, erfüllt mein Herz mit Stolz und das ist alles, was ich mir wünsche.
Dankeschön, Khun Sikrit.«
Die Sitzung hatte sie mental
ausgelaugt.
Müde begab sie sich an die
Rezeption, um sich abzumelden. Sie war schon fast am Ausgang, als die junge
Rezeptionistin sie zurückrief.
»Gehen Sie noch nicht. Der Mann,
der sie vorhin besucht hat - er wartet immer noch im Garten auf Sie.«
Erstaunen breitete sich auf ihrem
Gesicht aus. Dann stellte sie ihre Tasche am Empfang ab.
****
»Du hast auf mich gewartet?« Bei
dem zarten Klang ihrer Stimme zuckte Sébastien zusammen. In der letzten Stunde
hatte der Tempelgarten der Stille tatsächlich seine Gedanken und sein Innerstes
beruhigt. »Ja«, stotterte er und sah sie verlegen an. »Es gibt ehrlich gesagt
zwei Gründe, warum ich auf dich gewartet habe.«
»Und die wären?«
»Erzähl mir mehr von dem Fluch,
damit wir euch helfen können.«
»Und was ist der zweite
Grund?«
Darüber hatte er in der
vergangenen Stunde auch gebrütet und war zu dem Schluss gekommen, dass er Nahla
Ehrlichkeit schuldete. Verunsichert versuchte er seine Gefühle in Worte zu
betten.
»Ich möchte mich für mein
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