Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
böse«, wisperte Amy.
Michael
betrachtete sie mit einem schiefen Lächeln und reichte ihr die
Hand um ihr beim aufstehen zu helfen.
»Du siehst
tatsächlich in jedem nur das gute«, erwiderte er und küsste sie
zärtlich auf den Mund.
»Komm, es wird
Zeit von hier zu verschwinden.«
Michael drehte er
sich um. Dann entflammte er mit unbewegter Miene ein Streichholz
und warf es auf den Boden liegenden Läufer. Eine helle, hohe
Stichflamme stieg auf und in Minutenschnelle löste sich der
Körper im Feuerschein auf. Amy starrte ihn erschrocken an.
»War er nicht
schon Tod?«
»Nein, die Saat
der Untoten kann man nur mit Feuer auf ewig vernichten. Denk
nicht daran, Amy. Lass uns nach Hause gehen. Mein Vater erwartet
uns. Ich habe ihm die Vision der Geschehnisse übermittelt. Du
musst ihm erzählen, was du in den Gedanken des Läufers gelesen
hast.«
Michael hob sie
hoch und trug sie auf seinen Armen.
»He«, protestierte
Amy, »ich bin nicht verletzt, du musst mich nicht tragen.«
»Ja, ich weiß.
Aber ich bin verletzt - in meiner Seele- weil ich dachte,
dass er dich tötet und ich dich verliere. Also lass mir bitte
das Gefühl, deinen Körper an meinem zu spüren, damit ich nicht
wahnsinnig werde, okay?« Als sie ihn ansah, bemerkte sie in
seinem so vollkommenen Gesicht tiefe Züge von Verletzlichkeit
und Schmerz, was ihr Herz zutiefst berührte.
Das Böse erwacht
» M eine
Tochter, was hast du in den Gedanken des Läufers gesehen?
Versuche dich genau zu erinnern. Alles kann von größter
Wichtigkeit für uns sein.«
Miltons Stimme
klang mild aber seine ernste Miene drückte Besorgnis aus. Sie
standen in seinem Arbeitszimmer. Michael streichelte sanft ihre
Hand, aber selbst das konnte ihren schnellen Herzschlag nicht
beruhigen, als die dunkle Vision wieder in ihr hochkam.
Sie musste sich
nicht anstrengen um sich an alles zu erinnern. Die Gedanken der
Kreatur waren in ihren Kopf eingebrannt.
Nervös blickte sie
von Michael zu Milton und ihre Stimme war nur ein leises
Flüstern.
»Ich habe in
seiner Vision gelesen, dass ihm befohlen wurde Michaels Gedanken
genauestens zu erforschen. Sie wollen ein Geheimnis wissen, dass
nur Michael kennt. Aber um was es geht, konnte ich nicht sehen.«
Milton nickte. Er
war aufs äußerste angespannt und ein unendlicher, tiefer Schmerz
durchzog seinen Körper. Auf einmal fühlte er sich unsagbar müde
und ausgelaugt. Seit unzähligen Gezeiten schon kämpfte er gegen
alles Abtrünnige und Böse auf der Welt und er merkte nun, dass
es bald an der Zeit war, die große Verantwortung als weltliches
Oberhaupt der Hüter der Lilien abzugeben.
Er fühlte, wie es
ihn immer mehr zermürbte. Kaum war etwas besiegt, erschien schon
die nächste Ausgeburt der Hölle und ein Ende war nicht
abzusehen. Und immer wieder wurde jemand aus seiner Familie mit
hineingezogen. Er seufzte tief auf und strich sich nachdenklich
durch sein schneeweißes Haar. Die Vision, die er soeben mental
von dem weisen Rat erhalten hatte, war kurz und knapp gewesen.
Für wenige Minuten
erlaubte Milton sich den menschlichen Luxus und gab sich seinen
Gefühlen hin. Aufgewühlt blickte er dabei aus dem Fenster in die
tiefe Dunkelheit hinaus. Danach straffte er seinen Rücken, fuhr
sich über die Stirn und drehte sich wieder um.
»Wir müssen uns
bereit machen. Die Dogianer erwarten uns morgen Nacht. Alle
Geisterkrieger sind beordert. Der Igmu Tanka-Clan wird uns eine
ganze Menge zu erklären haben.«
Milton stockte
kurz, bevor er weitersprach.
»Und Amy, der Rat
möchte, das auch du anwesend bist.«
****
In seinem
Schlafzimmer riss Michael nervös die Knöpfe seines Hemdes auf
und schmiss es anschließend in hohen Bogen auf dem Boden. Danach
setzte er sich frustriert auf die Bettkante und zog an seinen
Stiefeln. Das Gefühl untätigen Wartens auf etwas, von dem sie
alle nicht wussten was es war, zerrte an seinen Nerven. Amy kam
aus dem Bad und sah ihn fragend an.
»Warum denkst du,
hat er mich heute Abend ausgesucht, was wollte er?«
Michael sah sie an
und fühlte sich wie ein Schiff, das auf einer Sandbank
gestrandet war und festsaß.
»Ich habe nicht
die leiseste Ahnung, Kleines. Ich fürchte wir müssen einfach
abwarten und sehen was die Dogianer morgen sagen. Vielleicht
wissen sie mehr.«
»Du sagst mir
nicht die Wahrheit. Ich glaube, dass er
Weitere Kostenlose Bücher