Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
sich schon vor vielen Jahrzehnten eng
an die dort lebenden Menschen angeschlossen, um zu überleben.
Und doch beschlich Michael das leise Gefühl, das Sebastién ganz
bewusst seine grobe Umgangssprache pflegte.
Um seine Umwelt zu
provozieren oder um sein Innerstes zu schützen. Denn tief in
sich drinnen war er ein kleiner, verspielter Junge mit einem
schrankähnlichen Körper und einem noch größerem Herzen
geblieben. Michael wusste, dass er sich in Notfällen
dreihundertprozentig auf ihn verlassen konnte und das beruhigte
ihn ungemein. In seine Gedanken hinein rülpste der Freund
geräuschvoll auf und strich sich über seinen langen Bart.
Michael sah ihn kopfschüttelnd an.
»Erinnere mich
daran, dass ich dich niemals zu mir nach Hause einlade, wenn ich
einmal Kinder habe, okay.«
Dröhnend lachte
Sebastién auf und schlug sich auf die Schenkeln. Doch mitten in
seinem Gelächter erstarrte er plötzlich und sah seinen Freund
erschrocken an. Schlagartig wurde er ernst und beugte sich
angespannt vor.
»Kinder - du
willst Kinder haben?«, fragte er vorsichtig.
»Ich wusste gar
nicht, dass du schon eine Gefährtin gefunden hast, mit der du
den Gezeiten-Bund eingegangen bist«, hakte er nach und feine
Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn.
Er spürte eine
unkontrollierte Angst in sich, dass das Lirysimnumala-Extrakt in
seiner Wirkung nachließ und Michael sich an Amy und alles andere
erinnerte. Das wäre für alle eine Katastrophe. Alarmiert
beobachtete er ihn und versuchte in seinem Gesicht zu lesen.
Michael strich
sich müde über die Haare und fokussierte die gegenüberliegende
Wand. Gedankenverloren trank er einen Schluck von seinem Rotwein
und ließ den Geschmack eine winzige Ewigkeit auf seiner Zunge
rollen, um das Aroma einzufangen. Schließlich sah er auf und
blickte Sebastién mit einem verlorenen Ausdruck in den Augen an
und lachte leicht verlegen auf.
»Mein Freund. Ich
glaube nicht, dass du für so ein sensibles Thema der richtige
Gesprächskandidat bist. Aber wenn du mich so fragst; ja, nach
all den langen Jahrzehnten der Einsamkeit wünsche ich mir nichts
mehr als eine Familie. Lachende und fröhliche Kinder, die alle
so wunderschön sind wie ihre Mutter.«
Sebastién
erstarrte bei diesen Worten zu einer Eissäule.
»Verrätst du mir
den Namen deiner Gefährtin«, fragte er leise.
»Ich weiß ihn
nicht… nicht mehr… im Moment. Irgendwie habe ich ein dumpfes
Gefühl, so als hätte mich Jemand einer Gehirnwäsche unterzogen.«
Wieder glitt seine
Hand unbewusst durch sein schwarzes Haar, bevor er fortfuhr.
»Trotzdem fühle
ich in mir, dass meine Seele mit jemand verbunden ist. Und der
Duft nach Maiglöckchen und Lilien, das ist ihr ureigenes
Bouquet. Ich spüre es und ich fühle auch ihre tiefe Liebe, die
versucht mich zu erreichen und gleichzeitig zu warnen. Ich spüre
ihre Kraft und ihre Gefühle so intensiv, das es mich fast
umbringt, nicht zu wissen wer sie ist.«
Unbewusst spielte
er mit dem kleinen filigranen Anhänger, der noch immer an der
silbernen Kette an seinem Hals schimmerte.
»Weißt du wie das
ist? Ich fühle, dass ich jetzt eigentlich bei ihr sein sollte,
um sie zu beschützen. Doch stattdessen versucht sie mich vor jedem Angriff der Läufer zu warnen. Jede freie Minute
versuche ich mich an sie zu erinnern und zerbreche mir den Kopf,
wer sie ist. Das macht mich wahnsinnig«, murmelte er hilflos.
Michael sah hoch
und bemerkte wie sein Freund ihn bestürzt betrachtete.
Geschmeidig erhob er sich aus seinem Sessel, nahm sein Weinglas
und klopfte Sebastién freundschaftlich auf die Schulter.
»Schau nicht so
verwirrt drein, mein Freund. Ich nehme an dass du nicht von dem,
was ich dir erzählt habe, verstanden hast. Ich versuche es mal
mit deinen Worten zu beschreiben; Ich habe eine scheiß Angst
dass meine Gefährtin - von der ich sicher bin das es sie gibt -
in großer Gefahr ist und ich habe einen beschissenen
Gedächtnisverlust und kann mich noch nicht einmal an ihren Namen
erinnern. Aber ich gebe nicht auf, solange bis ich mein Leben
zurückbekommen habe«, sagte er mit fester Stimme und trat danach
auf die Terrasse hinaus.
Unterdessen atmete
Sebastién erleichtert auf.
Mit jedem Wort von
Michael hatte ihn immer mehr die Angst beschlichen, das seine
Erinnerungen zurückkamen und er damit ihren ganzen Einsatz
gefährdete. Leider
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