Tränen im Regen
damit zum Seufzen. „Also? Wo ist mein Geschenk?“
„Hast du dir denn eins verdient?“, neckte Kilian seinen Vater und nahm die Tüten wieder hoch, um Colin danach anzugrinsen. „Wenn ich einen Kaffee kriege, können wir über dein Geschenk reden.“
„Frechdachs“, war Colins Kommentar dazu, inklusive eines Lächelns und einem Kuss auf die Wange, der Kilian schnauben ließ. „Hey, als dein Dad darf ich das, also beschwer' dich nicht.“
Kilian lachte. „Würde ich nie wagen. Dein Geschenk hat übrigens Dale. Happy Birthday, Dad.“
Seine Zeichnung von Gwen trieb Colin die Tränen in die Augen, was Kilian erwartet hatte, und so fanden sie sich zwei Stunden später allein im Wohnzimmer wieder, auf der Suche nach einem passenden Platz für das Bild. Mikael, Alex und Dale hatten sich mit dem mehr als fadenscheinigen Grund, unbedingt noch ein paar Sachen für den Grill besorgen zu müssen, aus dem Staub gemacht und würden so schnell nicht wieder auftauchen, wenn Kilian Mikaels Lächeln zuvor richtig gedeutet hatte.
„Hast du ihre Spieluhr eigentlich noch?“, fragte Colin, nachdem er das Bild neben einem übervollen Bücherregal an die Wand gehalten hatte, damit aber nicht zufrieden gewesen war.
„Ist der Papst katholisch?“, konterte Kilian und Colin lachte, um gleichzeitig das Bild neben dem Kamin an die Wand zu halten, bevor er ihn fragend ansah. Kilian schüttelte den Kopf. „Das geht unter, mit den anderen Bildern von uns. Außerdem solltet ihr euch endlich ein neues Regal kaufen. Das große bricht bald zusammen.“
„Wir haben noch keins gefunden, das uns gefällt“, erklärte Colin und kratzte sich an der Nase, bevor er Richtung Flur deutete. „Ich könnte es zu deinen Landschaften hängen.“
Kilian stöhnte und grinste zugleich. „Dad, sei nicht böse, aber von Bildern und deren Wirkung in Räumen hast du echt keine Ahnung. Und was soll das heißen? Es ist doch nur ein Bücherregal.“
Colin lachte. „Wohl wahr. Aber das Regal soll schließlich zu den Möbeln passen und uns gefallen. Also gut, Schlauberger. Wohin soll ich es hängen?“
Kilian schob die Regalfrage beiseite. Bei solchen Dingen konnten seine Väter echt pingelig sein. „Oben in den Flur.“
„In den Flur?“, fragte sein Vater verblüfft. „Wieso das denn?“
„Ihr wolltet doch eh streichen, oder?“, wollte Kilian wissen und war zufrieden, als Colin nickte. „Gut, dann streicht ihr und meine Aufgabe wird danach die Dekoration sein, einverstanden?“
Colin schien im ersten Moment widersprechen zu wollen, nickte auf seinen warnenden Blick aber resignierend. „Na schön, aber wehe, du schleppst uns neues Grünzeug an.“
Kilian prustete los. Der Einwand war berechtigt, denn als Whiskey noch gelebt hatte, waren ständig Blumentöpfe und Pflanzen zu Bruch gegangen, weil sein Hund, selbst als er ausgewachsen gewesen war, nur Unsinn angestellt hatte. Kilian hatte nach einer Weile aufgehört zu zählen, wie oft er mit Besen und Kehrschaufel hinter Whiskey hatte aufräumen müssen. Dennoch vermisste er seinen Racker und vielleicht war es Zeit, darüber mit mal Dale zu sprechen. Über Ehe und Kinder hatten sie schließlich auch schon geredet.
„Whiskey fehlt mir“, sagte er und setzte sich auf die Couchlehne. Colin nickte, stellte das Bild auf den Kamin und lehnte sich neben ihn an die Couch. „Ich schätze, ich werde mit Dale reden.“
„Aha?“, fragte Colin und grinste, was eindeutig war. Kilian boxte seinem Vater gegen die Schulter.
„Ja, lach' du nur. Aber bevor ich einen Hund ins Haus lasse, baue ich mir erst eine Stahltür ein, um mein Atelier zu schützen.“
Colin lachte los.
„Schlaf weiter“, murmelte Kilian, als Dale neben ihm seufzte, und sah mit einem sanften Lächeln zu, wie sein Freund wieder ins Land der Träume abdriftete. Kilian wartete noch kurz ab und stand dann vorsichtig auf, um in den Flur zu gehen.
Irgendetwas hatte ihn geweckt und nach einem Blick auf die Uhr, die gerade vier Uhr Morgens anzeigte, war ihm klar, dass definitiv noch nicht Aufstehzeit war, für niemanden im Haus. Kilian gähnte, denn die kleine Party für Colin hatte etwas länger gedauert, was auch der Grund dafür war, dass sich Dale und er, wie so oft in den letzten Wochen, in seinem alten Kinderzimmer einquartiert hatten, statt nach Hause zu fahren.
Durch den Türschlitz der geschlossen Badezimmertür konnte Kilian Licht sehen. Jemand war im Bad. Das musste ihn aufgeweckt haben. Er wandte sich ab und hörte
Weitere Kostenlose Bücher