Träum ich?: Roman (German Edition)
fühl mich auch dir gegenüber schrecklich.«
»Ach, bitte nicht«, sage ich zu ihr. »Ich habe Emmalinas Brief an Astrid gesehen, und darin stand nichts davon, dass ihre eigenen Nachkommen auf ewig glücklich wären, glaub mir. Deine Familie hat einfach ungeheuer Glück gehabt. Dir muss nichts leidtun. Du solltest es einfach genießen«, schließe ich lächelnd.
»Aber ich ärgere mich über Emmalina«, sagt sie. »Man kann Emmalina genauso viel vorwerfen wie Astrid. Bedenk doch, was sie euch angetan hat!«, ruft sie aus.
»Mich interessiert nicht, wer wem was vorzuwerfen hat«, seufze ich. »Es soll alles nur wieder gut werden. Ich möchte meinen Gogo zurück. Mehr nicht. Ich möchte mein altes Leben zurück.«
»Heute Abend kommst du jedenfalls mit«, sagt Rose und legt den Arm um mich. »Du kannst etwas Aufmunterung gebrauchen. Ich leihe dir eines meiner Kleider. Wir haben etwa dieselbe Größe. Ich finde sogar, wir sehen uns ähnlich.« Rose blickt mich prüfend an.
»Das finde ich auch!«, rufe ich aus.
Rose nimmt meine Hand und führt mich in ihr Zimmer. Ihr Schrank ist so groß wie mein ganzes Schlafzimmer. Wir entscheiden uns für ein schlichtes schwarzes Trägerkleid. Als ich ihre Schuhe anprobiere, müssen wir lachen, weil wir sogar dieselbe Schuhgröße haben. Sehr schnell ist es, als würden wir uns schon seit Ewigkeiten kennen. Ich gestehe ihr, dass mir die Farbe ihres Lidschattens gar nicht gefällt. Als sie entgegnet, ich könne ihr mal den Buckel runterrutschen, weiß ich, dass wir für immer Freundinnen sein werden. Nur eine echte Freundin darf ungestraft so etwas äußern.
Auf dem Weg zur Party sagt Leo mehrfach: »Ich begreif’s einfach nicht … Seid ihr wirklich verwandt?«
»Ja, wir sind verwandt«, antwortet Rose und lächelt mir zu.
Die Verlobungsfeier findet in einem Restaurant in Soho statt. Rose stellt mich ihren Eltern vor, die mich sofort in den Arm nehmen, als sie erfahren, wer ich bin und dass der Fluch, den sie bislang für eine Legende hielten, wirklich Realität ist. Dann lerne ich meine Cousins Paul und Chuck und ihre Familien kennen. Außerdem treffe ich unzählige Verwandte, von deren Existenz ich gar nicht wusste. Mir schwirrt der Kopf und fast vergesse ich den eigentlichen Grund meines Besuchs. Erst als Bernard aufsteht, um einen Toast auf seine Tochter auszubringen, fällt er mir wieder ein.
»Meine liebe Rose«, beginnt Bernard, und alle werden still. »Wir sind heute nicht nur zusammengekommen, um mit zwei Liebenden zu feiern, die den Rest ihres Lebens miteinander verbringen wollen, sondern auch, um eine neue Generation in unserer Familie zu begrüßen. Schon bald werdet ihr eigene Kinder haben und eure Liebe zueinander auf sie übertragen. Darum geht es in der Ehe. Die Liebe zwischen Mann und Frau geht auf künftige Generationen über. Wenn ihr beide, Rose und Leo, so glücklich miteinander seid wie deine Mutter und ich, dann gelingt euer ganzes Leben. Ihr werdet es erfahren, weil ihr gemeinsam durchs Leben geht. Gemeinsam. Ihr werdet Höhen und Tiefen durchlaufen, aber ihr werdet immer jemanden an eurer Seite haben. Das werden eure Kinder von euch lernen und ihrerseits auf die nächste Generation übertragen.«
Mir kommen die Tränen.
»Rose«, fährt Bernard fort, »es war deiner Mutter und mir eine große Freude, dich aufwachsen zu sehen. Deine Freundlichkeit und deine Liebe zur Familie kennen keine Grenzen. Dein Enthusiasmus hat unser Leben immer so viel fröhlicher gemacht. Es ist nicht leicht für einen Vater, wenn die eigene Tochter sich verliebt und ein neues Kapitel in ihrem Leben aufschlägt. Man will das Beste für sie. Eltern würden alles tun, um ihr Kind vor Schaden zu bewahren. Aber irgendwann kommt der Tag, da muss man einfach darauf vertrauen, dass man alles getan hat, damit das Kind für sich selbst sorgen kann. Und wenn ich sehe, wie du Leo anlächelst, dann habe ich keinerlei Zweifel, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast. Ich hätte keinen Mann für dich finden können, der großzügiger, aufmerksamer und verständnisvoller ist als er. Leo lässt dich so sein, wie du bist. Du warst schon vollkommen, aber Leo füllt eine Lücke, die mir vorher nie aufgefallen ist. Er vervollständigt einen Menschen, der bereits vollkommen war.«
An diesem Punkt bin ich schon so von meinen Gefühlen überwältigt, dass ich kurz vor einem hysterischen Anfall ste he, aber ich beherrsche mich. Bernard klingt genau wie Dolly und Selma, die mich
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