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Träum ich?: Roman (German Edition)

Träum ich?: Roman (German Edition)

Titel: Träum ich?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adena Halpern
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prächtige Lücke sehe und sage: »Da, da, direkt vor uns auf der rechten Seite«, aber er fährt einfach daran vorbei. Dann sehe ich einen anderen Parkplatz, wo gerade jemand die Lebensmittel einlädt oder sein Kind auf dem Sitz anschnallt, also müsste man nur zwei Minuten warten, aber Gogo will keine Zeit verschwenden, also suchen wir weiter. Am Ende müssen wir dann von der hintersten Ecke des ganzen Parkplatzes laufen, vorzugsweise dann, wenn ich hohe Absätze trage.
    Und noch eine letzte Macke, aber die toppt alles. Gogo gibt niemals einen Fehler zu. Einmal nahm er den Ersatzschlüssel und vergaß, ihn wieder in unser Versteck zu legen. Ich war, nur im Bademantel, vor die Tür gegangen, um die Post zu holen. (Gogo wartete auf ein wichtiges Dokument und bat mich telefonisch, nachzusehen, ob es schon da wäre.) Da fiel unglücklicherweise die Tür zu. Hab ich erwähnt, dass es regnete? Ich rannte zum Versteck für den Ersatzschlüssel, aber es war leer. Ich hatte kein Handy dabei, und von unseren Nachbarn war niemand zu Hause. Mit nackten Füßen und nassem Bademantel wanderte ich von einem Haus zum nächsten und versuchte, jemanden herauszuklingeln. Als Gogo schließlich nach Hause kam und mich auf unserer Türschwelle sitzen sah, meinte er: »Warum hast du denn nicht den Haken runtergemacht, als du die Post geholt hast? Woher soll ich wissen, dass du dich ausgesperrt hast? Du hättest anrufen sollen.« Ich hätte nicht anrufen, sondern ihn auf der Stelle erschießen sollen. Kein »Tut mir leid, Lily, es wird nicht wieder vorkommen« oder »Ich fühle mich schrecklich« – nein, nichts dergleichen.
    Ich bin in dem Moment zwar sauer – vielleicht ein, zwei Stunden lang (oder auch drei) –, aber dann macht er immer irgendetwas, das mich sein nervtötendes Verhalten sofort vergessen lässt. Zum Beispiel sieht er mich auf der Couch sitzen und holt mir eine Decke, für den Fall, dass mir kalt ist. Oder ich gehe mitten in der Nacht aufs Klo und der Deckel ist oben. Oder ich finde eins seiner alten Bücher im Altpapier. Oder ich rufe seinen Namen und gehe zum Bad, wenn er nicht antwortet, um festzustellen, dass er duscht, und dann frage ich mich, wieso er nicht Bescheid gegeben hat. Oder ich ertappe ihn dabei, wie er sich auf Youtube einen Komiker ansieht und leise zu sich selbst sagt: »Alles klar, vor der Pointe eine kleine Pause machen, dann ist es lustiger.« Und dann vergesse ich alles, was mich in Rage versetzt hat, weil es eben nur unwichtiger Kleinkram ist. Genau diese Kleinigkeiten machen einen doch menschlich.
    Nun, da Gogo nicht mehr da ist, vermisse ich genau diese Dinge am meisten.
    Aber es hilft, an den nervtötenden Kleinkram zu denken, an alles, womit er mich auf die Palme gebracht hat.
    Mir ist alles recht, was meinen quälenden Schmerz lindert. Alles, was mich von der Sehnsucht nach ihm ablenkt.
    Drei Tage ist es schon her, seit ich aus New York zurückgekommen bin, und diese drei Tage habe ich im Bett verbracht. Rose ruft ständig an, um mich aufzumuntern und mit mir zu überlegen, wie sie Gogo und mir helfen kann. Bislang hat mich keine ihrer Ideen überzeugt, obwohl ich den Vorschlag, ihn zu kidnappen und ihm eine Gehirnwäsche zu verpassen, gar nicht so übel fand.
    Schon wieder klingelt das Telefon. Weil ich mit Rose rechne, melde ich mich, ohne einen Blick aufs Display zu werfen.
    »Baby!«, ruft eine Männerstimme vom anderen Ende der Leitung. »Hör mal, ich brauche heute Abend für ein Geschäftsessen eine Begleiterin und du wärst genau richtig dafür. Ich würde ja eine andere fragen, aber diesmal kann ich nicht mit einem meiner Kurvenwunder auftauchen, daher dachte ich mir: Warum rufst du nicht deine alte Freundin Lily an? Es ist ein offizieller Anlass, also zieh eines deiner hübschen Abendkleider an. Am besten das schwarze, da sieht man deine Titten gut. Ich hol dich um halb acht ab.«
    Das ist genau die Ablenkung, nach der ich gesucht habe. Schließlich ist Jonah gar nicht so übel. Er ist ein Idiot, aber kein Riesenidiot. Wenn ich Gogo nie mehr zurückbekomme, krieg ich was Besseres als Jonah wohl nicht mehr ab, daher sage ich zu.
    Ich werfe einen Blick in den Spiegel. Dort steht eine mitleiderregend blasse und traurige Person. Es wird mir guttun, mich ein wenig aufzubrezeln.
    Also wasche ich mir die Haare und lasse ein Lavendelbad ein, in dem ich eine Stunde sitze, bis sich mein Körper endlich entspannt. Entsprechend schrumpelig steige ich aus der Wanne und trage alle möglichen

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