Träum ich?: Roman (German Edition)
Zeit.«
Nach kurzem Überlegen verkündet er: »Das Continental Midtown ist direkt um die Ecke.«
Da plötzlich erhasche ich einen Blick auf den alten Gogo, den einfühlsamen, warmherzigen Gogo, den ich kenne. Den Gogo, den ich an einem schicksalhaften Tag vor über einem Jahr im Continental Midtown kennengelernt habe.
»Klingt gut«, sage ich zurückhaltend.
Wir gehen weiter durch den Park, sprechen aber kein Wort mehr. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich fürchte, ich könnte etwas Falsches sagen, das ihn kränkt und verjagt. Die verschiedensten Gefühle durchströmen mich. Es wäre jetzt das Richtige, ihn einfach ziehen zu lassen. Es wäre das Richtige, diesen Mann, den ich gar nicht kenne, ziehen und das Leben leben zu lassen, das er all die Jahre gelebt hat. Ich sollte ihn die Frau vergessen lassen, die weiß, dass er Eis mit warmer Schokosoße isst, wenn er deprimiert ist. Schließlich ist das noch kein Beweis, dass er möglicherweise doch mein Ehemann ist. Eisbecher mag schließlich jeder!
Trotzdem fühlt es sich an wie eine Insel der Ruhe an einem ansonsten hektischen Tag.
Als wir das Restaurant betreten, sehe ich sofort, dass unser Tisch frei ist, daher schnappe ich ihn mir und übergehe die Kellnerin, damit sie uns keinen anderen zuweist.
»Der hier ist doch gut«, sage ich zu Gogo, als er die Kellnerin ansieht, als warte er auf ihre Erlaubnis.
Gogo nimmt den Stuhl mit Blick zum Restaurant, und ich wähle bewusst den Platz mit Blick zur Wand, den ich auch bei unserer ersten Begegnung hatte. Wenn wir zusammen ausgingen, überließ Gogo normalerweise immer mir den guten Platz. Aber an jenem Tag, als wir zum ersten Mal gemeinsam einen Eisbecher mit warmer Schokosoße aßen, saß Gogo bereits an seinem Tisch, und ich gesellte mich zu ihm. Vielleicht löst das jetzt Erinnerungen in ihm aus. Ich klammere mich an jeden Strohhalm.
»Wir nehmen zwei Eisbecher mit warmer Schokoladensoße«, sagt Gogo zum Kellner, als er die Bestellung aufnimmt.
Es jagt mir einen kleinen Schauer über den Rücken, als ich Gogo diese Worte sagen höre. Wirklich, ich klammere mich an jeden Strohhalm!
»Und, was machst du so?«, fragt er dann.
»Beruflich?«, frage ich, und als er nickt, fahre ich fort: »Ich bin in der Werbung, nehme mir aber gerade eine Auszeit.«
»Werbung«, wiederholt er, als fehlten ihm die Worte, um das Gespräch weiter in Gang zu halten.
»Ja«, bestätige ich. »Ich habe die letzten elf Jahre für Sacki und Sacki gearbeitet.«
»Ist das eine Werbeagentur?«, fragt er.
»Genau«, sage ich, erspare mir aber den üblichen Kom mentar, dass es eine der größten Agenturen der Welt ist. »Und du hast mit Entwässerungssystemen zu tun?«
»Ich verkaufe sie«, antwortet er und reibt sich verlegen die Hände. »Ich schätze, das erscheint dir ziemlich langweilig. Du gehst sonst sicher nur mit Männern aus, die aufregendere Jobs haben.«
»Ich gehe nicht besonders oft aus«, erwidere ich, ohne ihn daran zu erinnern, dass ich eigentlich mit ihm verheiratet bin. »Und du bist jetzt wie lange mit Rhonda verheiratet?«
»Seit dem College«, antwortet er. »Zwölf Jahre.«
»Und, war es gut?«, frage ich, weil mir nichts anderes einfällt.
»Unsere Ehe?«
»Ja, warst du glücklich?«
»Was heißt schon ›glücklich‹?«, fragt er zurück. »Ja, ich schätze, wir waren wohl glücklich, im Großen und Ganzen, obwohl die Sache mit den Kindern schon ziemlich problematisch war. Rhonda hat unzählige Hormonbehandlungen hinter sich, und wir wissen einfach nicht, warum es mit der Schwangerschaft nicht klappt. Das war für unsere Ehe eine ziemliche Belastung, vor allem in letzter Zeit. Sie muss mitansehen, wie all ihre Freundinnen Kinder bekommen. Paare, die noch nicht mal halb so lang verheiratet sind wie Rhonda und ich, bekommen schon ihr zweites oder drittes Kind, und das setzt ihr ziemlich zu. Ich versuche, das so gut wie möglich zu kompensieren, aber manchmal ist es doch schwer. Möchtest du Kinder?«
»Ob ich Kinder möchte?«, wiederhole ich. »Äh, ja, natürlich, irgendwann, aber ich hab wohl noch nicht den richtigen Mann gefunden.« Wieder möchte ich ihm sagen, dass wir schon darüber gesprochen haben, aber anscheinend sieht er das Offensichtliche nicht, daher halte ich den Mund. Wir be finden uns in einer sehr heiklen Lage. Schließlich merkt er ge rade erst so richtig, dass ich vielleicht doch nicht verrückt bin.
Kurz darauf werden unsere Eisbecher gebracht. Ich nehme meinen Löffel und
Weitere Kostenlose Bücher