Träum ich?: Roman (German Edition)
mich eh schon für verrückt hältst und wir uns nie mehr wiedersehen, möchte ich dich um eines bitten. Könntest du mich vielleicht mal kneifen?«
»Wie bitte?«, fragt er.
»Tut doch keinem weh, ich meine, weder buchstäblich noch im übertragenen Sinn, also könntest du mich einfach mal kneifen, nur damit ich Ruhe habe. Ich wäre dir wirklich dankbar, nur damit ich weiß, ich träume nicht, oder vielleicht habe ich doch geträumt, nämlich dass wir verheiratet sind, aber jetzt ist die Wirklichkeit eingetreten, ach … Könntest du mich einfach kneifen?«
Er nimmt ganz sanft meinen Arm und sieht ihn an. Ich schwöre, es macht mich schon an, dass er einfach nur meinen Arm anfasst. Ich könnte auf der Stelle über ihn herfallen.
»Wo soll ich dich denn kneifen?«, fragt er.
»Genau hier«, antworte ich und zeige ihm die Stelle auf meinem Arm.
Gogo kneift mich und ich schließe die Augen. Ich spüre, wie Gogo Daumen und Zeigefinger auf meinen Arm legt und etwas Haut greift. Ich höre Stimmen und Motorengeräusche um mich herum, versuche sie aber auszublenden und mich nur auf das Kneifen zu konzentrieren.
Als Gogo aufhört, mich zu kneifen, öffne ich die Augen und sehe ihn an. Er lächelt mir zu.
Ich muss all meine Kraft aufbieten, zurückzulächeln und die Achseln zu zucken.
»Tja«, sage ich. »Einen Versuch war es wert. Danke.«
Und als ich dann die Chestnut Street hinuntereile, bin ich wieder Teil der Welt – der Welt, wie sie jetzt ist: ohne Gogo.
Das macht mich sehr, sehr traurig.
Nun wird mir klar, dass all die Dinge, die ich Gogo zuvor beweisen wollte, all die Dinge, mit denen ich ihn wieder zurückverwandeln wollte, völlig unwichtig sind.
Denn ganz gleich, wie Gogo ist: Er ist der Mann, mit dem ich zusammen sein sollte.
Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen oder wie ich ihn wieder für mich gewinnen soll.
Ich weiß nur eines, und das ganz genau: Ich vermisse Gogo.
Ich muss ihn unbedingt zurückbekommen.
Zehn
N ach dem Treffen mit Gogo will ich nur noch ins Bett. Es ist erst vier Uhr nachmittags, aber ich will den Rest des Tages verschlafen. Also ziehe ich meine enge Jeans aus und werfe sie auf den Kleiderhaufen vom Morgen.
Ich will Gogo zurück. Auf der Stelle. Ich vermisse ihn unendlich. Ihm diese kurze Zeit gegenüberzusitzen, hat nur bewirkt, dass ich ihn noch mehr will, ganz gleich, was er sagt. Was soll ich nur tun? Wie soll ich über ihn hinwegkommen? Ich vergrabe meinen Kopf im Kissen, ziehe mir die Decke über die Ohren und überlege hin und her. Soll ich ihn aufgeben oder um ihn kämpfen? Es gibt keine richtige Antwort darauf, denn es wird auf jeden Fall nicht mehr dasselbe sein.
Ich versuche, es von dieser Warte aus zu sehen: Was wird mich glücklich machen? Wird es mich glücklich machen, wenn ich Gogo überzeuge, Rhonda meinetwegen zu verlassen, selbst wenn er nicht mehr derselbe Mann ist? Oder soll ich ihn in Ruhe lassen und mich damit zufriedengeben, dass es ihm gut geht? Zumindest ist er gesund und munter. Das ist mehr, als man von den Exmännern meiner Mutter sagen kann.
Als das Telefon klingelt, schrecke ich aus dem Schlaf. Seit wann ist es so dunkel? Wann bin ich eingeschlafen? Das ist bestimmt Gogo. Wahrscheinlich muss er noch arbeiten. Wie viel Uhr ist es?
Wieder klingelt das Telefon und plötzlich schlage ich wieder in der Realität auf. Ich bin hier in meiner Wohnung mit dem vereisten Kühlschrank. In der Wohnung mit den Kleiderhaufen. Es ist die Wohnung ohne Gogo. Alles, was passiert ist, ist real.
»Hallo?«, frage ich benommen, als ich beim dritten Klingeln den Hörer abnehme.
»Lily?«, ertönt eine Stimme. »Hier ist Rose. Ich wollte fragen, wie es dir geht. Was ist passiert?«
»Hi«, sage ich und wickle die Decke um mich. »Äh, mir geht es gut.«
»Unmöglich, dazu klingst du zu schrecklich. Was ist los?«
Ich erzähle ihr alles von meinem Treffen mit Gogo: dass wir ins Continental Midtown gegangen sind und Eis mit Schokosoße gegessen haben und ich jetzt hin und her gerissen bin.
»Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Er ist nicht mehr mein Mann. Er mag keinen Rosenkohl und schläft auch nicht auf dem Rücken. Er spielt nicht mal mehr Videospiele«, sage ich und stocke kurz. »Er ist nicht mehr der Mann, den ich kannte.«
»Er hat dich also gekniffen und es ist nichts passiert?«
»Gar nichts.«
»Aber irgendwas muss da noch sein! Besteht denn keinerlei Ähnlichkeit mehr zwischen dem Mann von heute und dem von damals?«
»Nein.
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