Träum ich?: Roman (German Edition)
Höchstens, dass er immer noch gerne Eis mit warmer Schokosoße isst, wenn er schlechte Laune hat, und dass er seine Serviette nicht zerknüllt, aber das könnte auch Zufall sein.«
»Aber das ist doch großartig!«, ruft sie.
»Nein, das ist nicht großartig. Soll ich mich an dem Umstand festhalten, dass er immer noch Eis mag?«
»Das ist doch zumindest ein Anfang, oder nicht?«
»Ich weiß gar nichts mehr«, seufze ich. »Ich geb’s wohl auf. Ich weiß einfach nicht, was ich noch tun könnte.«
»Moment«, erklärt sie. »Du vergisst hier eines, nämlich dass er dich angerufen hat. Nicht du hast ihn angerufen. Er wollte wissen, woher du seinen Namen weißt. Er hätte dich nicht anrufen müssen, sondern es einfach als den Irrsinn irgendeiner Verrückten abtun können. Hat er aber nicht. Im Gegenteil: Er hat sich mit dir getroffen . Außerdem wollte er auch noch essen gehen. Und als du ihn gebeten hast, dich zu kneifen, da hat er dich gekniffen. Du wolltest eigentlich direkt gehen. Sieh dir mal ganz nüchtern die Fakten an. Wenn er nichts von dir wollte, hätte er nichts gemacht. Verstehst du, worauf ich hinauswill?«
»Ja, aber ich hatte nicht den Eindruck, er würde mich wiedererkennen, als er mich gesehen hat. Er war nur ein netter Mann, der eine Frau nicht weinen sehen kann.«
»Du hast geweint?«
»Ja. Ich konnte nicht anders. Was würdest du in meiner Situation tun?«
»Oh Gott, ich würde mich wie ein Baby zusammenrollen und tagelang weinen. Übrigens bewundere ich wirklich deine Selbstbeherrschung.«
»Vielen Dank.«
»Ich will aber auf Folgendes hinaus«, fährt sie fort. »Ein Teil in ihm muss einfach wissen, dass du das Ganze nicht erfunden hast. Ein Winkel in seinem Innern, der ihm nicht mal bewusst ist, weiß, dass du seine Seelenverwandte bist. Herrgott, das kann doch jeder sehen, und ich hab den Typ nicht mal kennengelernt.«
»Glaubst du?«
»Das glaube ich nicht, das weiß ich. Ein Teil von ihm möchte sehen, wie sein Leben hätte sein können – oder ist oder war. Es ist noch nicht vorbei, Lily. Dies ist erst der Anfang. Beantworte mir doch mal eine Frage. Sagen wir mal, es gäbe diesen Fluch nicht und er hätte einen Unfall. Würdest du dann nicht für ihn da sein wollen? Würdest du ihm nicht helfen, damit es ihm besser ginge?«
»Natürlich, aber diese Situation ist doch ein klein wenig anders, findest du nicht?«
»Nein. Dieser Mann wurde mit einem Fluch belegt, so als wäre ihm etwas zugestoßen – was Gott verhüten möge –, und du bist da und hilfst ihm, damit er sich wieder erholt. Du würdest ihn doch nicht verlassen, wenn ihm etwas zustieße, oder? Wo soll da also der Unterschied sein?«
Langsam begreife ich, worauf sie hinauswill.
»Du kannst jetzt nicht einfach aufgeben. Das darfst du nicht.«
»Was soll ich denn machen?«
»Du musst deinen Mann wieder in den Gogo von früher verwandeln. Erinnere ihn daran, wie er war und wie sein Leben aussah.«
»Ich soll ihn also seiner Frau wegschnappen?«
»Nein, vergiss die Frau.«
»Wie soll ich denn die Frau vergessen?«
»Sie existiert doch gar nicht. Er ist nicht in der richtigen Dimension, oder was auch immer. Dies ist nicht sein Leben. Du musst ihn in sein Leben zurückholen.«
Meine Zweifel lösen sich in Luft auf.
»Also hole ich ihn mir zurück«, sage ich entschlossen. »Ich ändere ihn. Ich zeige ihm, wie er früher war. Er wird sich selbst so sehr mögen, dass er auch mit mir zusammen sein will.«
»Ja, genau wie im Film In Sachen Henry , nur dass Gogo nicht nett wurde, sondern langweilig.«
Ich richte mich im Bett auf und denke über die Worte meiner Cousine nach. Hat sie recht?
Ja, sie hat recht. Ich sollte kein schlechtes Gewissen haben wegen seiner Frau oder seines Lebens, das er bis jetzt geführt hat. Das Ganze ist ohnehin nicht real, es sieht nur so aus.
»Dieser Fluch ist so verwirrend«, sagt Rose.
»Das habe ich auch gerade gedacht«, erwidere ich. »Also, was soll ich deiner Meinung nach tun?«
Am anderen Ende der Leitung herrscht Schweigen.
»Rose?«, frage ich. »Rose?«
»Ich denke nach«, erklärt sie.
Schweigend sitzen wir eine Weile da.
»Und?«, frage ich sie.
»Okay, du wirst Folgendes tun«, sagt sie, als habe sie einen Entschluss gefasst. »Zuerst einmal veränderst du ihn so, bis er wieder ist wie vorher. Denk dir sein Leben als Buch. Als der Fluch ihn zu einem bestimmten Zeitpunkt traf, nahm das Buch eine andere Wendung. Du musst jetzt die Stelle im Buch finden, wo er noch
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