Träum ich?: Roman (German Edition)
hätte in irgendeiner anderen Welt meinen größten Traum wahr gemacht und wäre Kinderarzt geworden? Außerdem wäre ich mit dir verheiratet und würde Videospiele spielen und Rosenkohl essen?«
»Und du bist ein sehr netter Mensch«, füge ich hinzu, während mir die Tränen kommen. »Du bist ein liebevoller, großzügiger Mensch, und du trägst mich auf Händen, und wenn du mich jetzt einfach nur kneifen würdest, könnten wir unser wunderbares Leben zurückhaben.«
Gogo seufzt und trinkt einen Schluck von seinem Kaffee.
»Hör mal«, sagt er dann. »Abgesehen davon, dass du behauptest, wir seien verheiratet und würden irgendwo ein anderes Leben führen, wirkst du eigentlich ziemlich normal.«
»Nein, wir leben nicht irgendwo ein anderes Leben«, erkläre ich. »Im Gegenteil, wir sind verflucht, und deshalb lebst du ein Leben, das du nicht möchtest, und ich lebe ein Leben, das ich nicht möchte, und wir sind nicht zusammen, weil …«
»Dann erzähl mir mehr über diesen angeblichen Fluch«, sagt er.
»Ach«, erwidere ich und mache eine abwehrende Geste, »das lohnt sich nicht mehr.«
Mittlerweile ist mir klar geworden, dass ich wahrscheinlich kapitulieren sollte. Dies ist nicht der Mann, den ich kenne. Es ist, als wäre Gogo einer Art Gehirnwäsche unterzogen wor den. Der Gedanke macht mich unglaublich traurig. Es hat keinen Sinn, diesen Mann zu überzeugen, dass er eigentlich die Liebe meines Lebens ist. Denn mir wird nun die traurige Tatsache bewusst, dass der Mann, der mir gegenüber sitzt, nicht die Liebe meines Lebens ist . Mein Gogo existiert nicht mehr, und als ich das endlich erkenne, kommen mir die Tränen.
»Helfe ich vielen Kindern?«, fragt er.
»Hm?«
»Helfe ich vielen Kindern? Du sagtest, ich sei ein wirklich guter Arzt.«
»Ja«, seufze ich. »Du bist ein großartiger Arzt. Alle in Philadelphia schicken ihre Kinder zu dir. Zu Weihnachten hingen bei uns tausend selbst gemalte Bilder von Kindern, die sich bedankt haben, weil du sie wieder gesund gemacht hast, weil du ihren Arm geschient hast, den sie sich beim Rad fah ren gebrochen hatten, oder weil du die ganze Nacht bei ihnen im Krankenhaus gesessen hast, wenn sie Angst vor der Mandeloperation am nächsten Morgen hatten.«
»Tja«, sagt er und lächelt matt, »das ist schön zu hören.«
»Aber«, setze ich an, »wenn du unbedingt Arzt werden wolltest, warum bist du es dann nicht geworden?«
»Wie ich schon sagte«, seufzt er, »Rhonda wollte heiraten und ich musste für sie sorgen. Das Medizinstudium hätte zu lange gedauert. Außerdem wollte Rhonda sofort Kinder und ich wollte in der Nähe sein.«
»Also habt ihr Kinder?«, frage ich.
»Leider nicht. Dieser Teil des Plans ist noch nicht in Erfüllung gegangen. Wir hatten ein paar Probleme.«
»Ach! Tut mir leid, das zu hören«, sage ich und frage mich sofort, warum mir das leidtun sollte.
»Für Rhonda war es eine große Belastung. Für unsere Beziehung auch. Wir haben zwar über Adoption nachgedacht, aber nach den ganzen Fruchtbarkeitsbehandlungen sind wir ziemlich pleite. Deshalb hoffe ich, befördert zu werden. Ich bewerbe mich um die Leitung der Sektion Nordost«, fügt er stolz hinzu und greift in seine hintere Hosentasche. »Ich suche nach neuen Geschäftsmöglichkeiten im Großraum Philadelphia. Wenn du also von irgendwelchen Baustellen hörst, denk bitte an mich.« Er reicht mir seine Visitenkarte. Ich nehme sie und werfe einen Blick darauf.
Carverman Downspouts
Gogo Goldblatt
General Manager – Sales
Philadelphia Tri State Area
215-555-2342
(mobil) 215-555-2959
»Tja, ich hoffe, es klappt«, sage ich und versuche, munter zu klingen, aber es kommt etwas melancholisch heraus. Meine Tränen sind getrocknet, aber ich habe einen Kloß im Hals und weiß, jedes weitere Wort wird mich wieder zum Weinen bringen. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll, um Gogo von unserem gemeinsamen Leben zu überzeugen. Und selbst wenn ich Gogo für mich zurückgewinnen würde, wie könnten wir unser einstiges Leben wiederbekommen? Würde ich ihn zwingen müssen, Rosenkohl zu essen? Würde ich ihm eine Playstation kaufen müssen? Wie soll Gogo wieder zu dem Mann werden, den ich geliebt habe?
»Ja, es läuft auf eine Entscheidung zwischen mir und meinem Kollegen Brad hinaus. Brad teilt sich die Sektion Nordost mit mir und schlägt mich um Längen im Verkauf. Er sitzt mir ständig im Nacken. Es ist ein kühner Plan, aber wenn ich nur ein paar große Projekte an Land ziehen würde,
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