Träum ich?: Roman (German Edition)
Hause.
Ich bin zutiefst verwirrt.
Zu Hause angekommen denke ich wieder einmal über alles nach und versuche, mich zu entscheiden. Welcher Weg ist der richtige? Meine Kleider sind über den ganzen Boden verteilt. Während der Bauarbeiten in der Morning Hill Lane habe ich hier nur geschlafen, geduscht und die Kleider gewechselt. Da ich nicht weiß, wie ich sonst meine überschüssige Energie loswerden soll, fange ich an, meine Sachen aufzuheben, die sauberen zu falten und in den Schrank zu räumen und die schmutzigen in die Waschmaschine zu werfen.
Während ich darauf warte, dass der Waschgang endet, nehme ich einen Besen (von dem ich nicht wusste, dass ich ihn besitze) und fange an, die Holzdielen zu fegen. Ich pflücke die Staubmäuse vom Boden, eine nach der anderen, im ganzen Haus. Wo kommt nur der ganze Staub her?
Schweißtreibend wird es, als ich mir, mit Föhn und Eispickel bewaffnet, den Kühlschrank vornehme und die Eiskruste entferne, die sich im Laufe der Jahre gebildet hat. Wenn mein Leben so weitergehen und ich in dieser Wohnung bleiben soll, kann ich genauso gut für einen eisfreien Kühlschrank sorgen.
Irgendwann ist das Eis schon halb entfernt. Während ich immer weiter mit dem Föhn darauf blase, bildet sich eine Pfütze auf dem Küchenboden vor mir, aber ich beachte sie kaum. Stattdessen bearbeite ich das Eis mit dem Pickel, was sich ziemlich gut anfühlt. Dabei werde ich die ungeheure Anspannung los, die sich im Lauf der Zeit in mir aufgebaut hat. Mein Aggressionspegel ist ziemlich hoch, und während ich auf das Eis einsteche, denke ich nur daran, wie gerne ich mich an Emmalina rächen würde, einer Frau, die seit über sechzig Jahren tot ist. Ich will ihr zeigen, was sie Dolly, Selma und mir angetan hat. Warum? , will ich sie fragen. Warum hat sie uns verflucht? Womit haben wir das verdient? Wir waren ja nicht mal geboren, als alles anfing. Wir sind anständige Menschen. Wieso müssen wir wegen Astrids Hinterhältigkeit leiden? Emmalina hätte auch anders wieder auf die Füße kommen können. Sie hätte ihr Leben weiterleben und sich jemand anderen suchen können. Vielleicht hätte Astrids und Hermanns Ehe gar nicht funktioniert, wenn man bedenkt, dass Astrid derart verzogen war, dass niemand es mit ihr aushielt. Vielleicht wäre das ihre Strafe gewesen? Warum konnte Emmalina nicht einfach vernünftig handeln?
»Zum Teufel mit ihr!«, schreie ich das Eis an, als könnte es mich hören.
Jetzt will ich sie verfluchen, wo immer sie auch sein mag. Sollte sie im Himmel sein, würde ich liebend gern dafür sorgen, dass es nicht der siebte Himmel ist, sondern ein paar Stufen darunter. Vielleicht ist sie im dritten oder vierten, wo alles Himmlische einen kleinen Haken hat. Vielleicht bekommt sie im vierten Himmel die köstlichsten Chocolate Chip Cookies, die sie sich vorstellen kann, kriegt aber schlech te Zähne und muss jeden Nachmittag zum Zahnarzt.
Ich weiß, ich spinne nur, und im Grunde will ich Emmalina und ihre Nachkommen auf keinen Fall verfluchen. Rose darf niemals etwas Böses zustoßen. Sie ist das Beste, was mir in der ganzen Katastrophe passiert ist.
Es muss einfach eine Möglichkeit geben, die Sache zu lösen. Es muss einen Weg geben, diesen Fluch zu beenden. Anders geht es nicht. Das Leben darf nicht so grausam sein.
Als mir all diese Gedanken durch den Kopf schwirren und meine Gefühle Achterbahn fahren, von Wut zu Frust zu Traurigkeit, da breche ich zusammen. Ich fange an zu weinen und vergieße mehr Tränen als je zuvor in meinem ganzen Leben. Denn Tatsache ist: Ich vermisse meinen Mann. Ich ver misse Gogo unendlich. Ich vermisse alles an ihm. Ich vermisse seine innigen Küsse und sein Lächeln, wenn er mich ansieht. Ich vermisse seinen Geruch, wenn er mich in die Arme nimmt und ich die Mischung aus Sandelholz-Aftershave und seinem Haarshampoo rieche. Ich vermisse das Gefühl, wenn ich ihn von der Arbeit nach Hause kommen sehe, und das Gefühl, wenn nachts mein Bein seines streift. Ich vermisse es, Rosenkohl zu essen, ihm beim Videospielen zuzusehen, neben ihm zu schlafen, mit ihm zu sprechen und zu lachen und von ihm geliebt zu werden. Ich will meinen Mann zurück. Auf der Stelle!
Ich schleudere den Eispickel zu Boden und weine noch heftiger.
Ich will meinen besten Freund zurück.
Ich will, dass die Liebe meines Lebens hier bei mir ist.
»Ach, scheiß doch drauf!«, brülle ich und renne auf der Suche nach meinen Schlüsseln wie wild durch die Wohnung. Sie ist so gut
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