Traeum weiter Baby
einiges«, orakelte sie und zog an ihrer Zigarette.
»Sag mir bitte, was es dir erklärt«, bat ich und guckte neugierig zu dem Gesteinsbrocken am Himmel hoch. Er blieb stumm. »Mit mir spricht das dumme Ding nicht!«
»Do you believe there is a man in the moon…?« summte sie anstelle einer Antwort. Nach einer Weile sagte sie: »Die Leute waren alle leicht durchgeknallt heute abend, findest du nicht?«
»Woher soll ich das wissen? Ich kenne keine normalen Menschen!«
Sascha war nicht normal, meine Mutter war es nie gewesen, und Nicole war so perfekt, daß man sich fragte, ob sie überhaupt von dieser Erde war.
»Der Mond ist wie immer«, sagte ich, »und die Leute auch. Nur du bist anders, du bist nämlich verliebt!«
Paula lachte.
»Und du kriegst nichts mehr zu trinken, Mel!«
Wenn sie nicht darüber reden wollte, auch gut! Aber ich war fest davon überzeugt, daß der nette Geologe in Paulas steinernem Herzen tieferliegende Schichten freigelegt hatte.
Paula drückte ihre Zigarette mit dem Schuh aus und sagte: »Komm, laß uns gehen!«
Doch als sie aufstand, blieb sie wie festgewachsen stehen und starrte auf das alte Gemäuer, als sähe sie dort ein Gespenst.
»Das darf doch nicht wahr sein«, flüsterte sie.
Ich folgte ihrem Blick und konnte nicht fassen, was ich |119| dort sah. Mir wurde augenblicklich furchtbar übel und kalt, als wäre die Temperatur auf arktische Grade gesunken.
Ich schloß meine Augen, doch als ich sie wieder öffnete, war da wieder das gleiche Bild wie vorhin: ein wohlbekannter Männerrücken, der von Frauenarmen umschlungen war. Ich sah den schwarzen Haarschopf, der sich vor seinem Gesicht bewegte, als sie sich küßten. Doro machte die Augen auf und sah uns sofort.
»Schönen Abend noch, ihr Arschlöcher!« rief Paula ihr zu.
Dann nahm sie meinen Arm und zog mich davon.
»Los, laß uns verschwinden!«
»Melanie!« rief Sascha hinter uns her.
Paula drehte sich um.
»Verpiß dich«, rief sie.
Sie zog mich auf die Straße und winkte einem Taxi, das gerade vorbeifuhr. Als das Taxi stehenblieb, riß Paula die Tür auf, schubste mich auf den Rücksitz und sprang hinterher:
»Fahren Sie los«, schrie sie.
Das Taxi düste los, und Saschas Gesicht im Rückfenster sah bleich aus. Die langen Nächte würden ihn eines Tages umbringen, wenn ich es nicht tat.
Paula legte den Arm um mich.
»Wohin?« fragte der Taxifahrer.
»Immer geradeaus«, sagte Paula.
Dann drückte sie mich.
»Wie geht’s dir?« fragte sie.
»Mir ist schlecht!«
»Wir gehen jetzt noch irgendwo einen kippen. Wohin du willst!«
Eine Sekunde später drehte sich mir alles, so daß das Taxi anhalten mußte und ich gerade noch die Tür aufreißen konnte, bevor ich auf die Straße kotzte.
|120| »Das beantwortet dann meine Frage«, sagte Paula.
Sie nannte dem Taxifahrer ihre Adresse und reichte mir ein Taschentuch.
»Es wird alles wieder gut«, sagte sie, aber ich glaubte ihr nicht.
|121| I will survive
Heute brauche ich nur meine Ruhe, dachte ich. An nichts denken, einfach hier liegenbleiben. Für immer. Heute gehe ich keinen Schritt vor die Tür. Ich ruhe mich aus. Ich bin hundemüde, und mir ist kalt.
Das Licht schien durch die gelben Gardinen und malte helle Kringel auf meine Bettdecke. Paula hätte mein Bett nicht zu beziehen brauchen, dachte ich, denn ich hatte keine Sekunde geschlafen. Wann habe ich eigentlich zuletzt eine Nacht richtig durchgeschlafen? Vielleicht hilft ein schöner heißer Tee? Aber ich bin zu müde, um aufzustehen. Lieber rauche ich noch eine Zigarette, die hundertste in dieser Nacht.
Ich blätterte die Zeitschrift durch, zum tausendsten Mal. Sie war voll von glücklichen Paaren. Glückliche Paare in der Calvin-Klein-Werbung, Christy Turlington mit einem hübschen Mann, der wie Sascha aussah, und zwei süßen Kindern. Ein Artikel zum Thema: Lassen Sie sich in Ihre Partnerschaft nicht reinreden, und ein Artikel über Rezepte, die den liebesmüden Mann wieder in Stimmung bringen. Ein Pärchen, das bei Kerzenschein ein aphrodisierendes Mahl zu sich nimmt. Die Frau sah aus wie Doro. Sascha und Doro, die sich küßten.
Es tat so weh. Augenblicklich bekam ich wieder Magenschmerzen. Sascha und Schmerzen, das gehört zusammen, Sascha tut weh, Licht tut weh, ich bräuchte eine Sonnenbrille, das Telefon klingelt, hoffentlich weckt es Paula nicht auf, dachte ich.
|122| Sie lag neben mir und atmete ruhig. Sie war erst vor kurzem eingeschlafen, nachdem sie immer wieder gesagt hatte, daß
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