Träum weiter, Liebling
konnte.
Sie lehnte den Kopf an den Fensterrahmen und blickte zu dem Mann hinaus, in den sie sich törichterweise verliebt hatte. Jetzt, wo Edward auf der Vorderveranda beschäftigt war, musste sie Gabe sagen, dass sie fortgehen würde.
Die alte Verandastufe knarzte unter ihren Füßen, als sie in den Garten hinaustrat. Sie sah zu, wie Gabe den Türriegel des Vogelhäuschens mit einer Zange zurechtbog, während ihm Tweetys hektisches Zirpen Gesellschaft leistete. Er blickte auf und lächelte, als er sie sah, und ihr Herz begann wild zu pochen.
Sie holte tief Atem. »Gabe, ich muss gehen.«
»Okay.« Er hörte auf, am Riegel herumzubiegen. »Ich bin gleich fertig. Lass mich bloß schnell das Werkzeug wegräumen, dann komm ich mit.«
»Das meine ich nicht.« Tus nicht! schrie ihr Herz. Sag es nicht! Aber ihr Verstand war klüger. »Ich - ich verlasse Salvation.«
Er verharrte absolut regungslos. Im Magnolienbusch hinter ihm keckerte ein Eichhörnchen, und eine Krähe krächzte vom Dachfirst des alten Häuschens herunter. »Wovon redest du eigentlich?« Langsam erhob er sich, die Zange in der Hand.
»Ich hab heute Vormittag mit Kristy telefoniert. Ihre Eltern drängen sie schon seit Monaten, nach Clearwater zu ziehen und ihnen mit ihrem Andenkenladen zu helfen. Das werde ich statt dessen tun.« Sie merkte, dass sie die Fingernägel in ihre Handflächen grub, und zwang sich, die Hände zu entspannen. »Kristy sagte, ihr fällt ein Stein vom Herzen bei dem Gedanken, wenn ich dort bin, um ein wenig auf sie zu achten, und sie besitzen ein kleines Apartment über dem Laden, in dem Edward und ich wohnen können. Und nicht zu vergessen, all der herrliche Sonnenschein in Florida«, endete sie lahm.
Eine lange Stille trat ein. »Aha, ich verstehe.« Er blickte die Zange in seiner Hand an, aber sie hatte das Gefühl, dass er sie überhaupt nicht sah. »Wieviel werden sie dir zahlen?«
»Ungefähr dasselbe wie du - sie können sich im Moment nicht mehr leisten aber der Laden läuft immer besser. Ich werd schon zurechtkommen, noch dazu, wo ich keine Miete zahlen muss.« Sie dachte an den Scheck über fünfundzwanzigtausend Dollar in ihrer Wäscheschublade, und ihr Mägen zog sich zusammen. »Sobald Edward in die Schule geht, werde ich versuchen, ein Stipendium zu kriegen und wieder aufs College zu gehen. Ich werde zwar nur ein paar Kurse belegen können, aber ich möchte Wirtschaftswissenschaften studieren.«
Er schob die Zange in die Gesäßtasche seiner Jeans, und sein Gesicht nahm wieder diesen altbekannten, harten Ausdruck an. »Ach so. Du hast dir alles überlegt, stimmt‘s?«
Sie nickte.
»Keine Diskussion? Es ist dir überhaupt nicht in den Sinn gekommen, mit mir darüber zu sprechen, bevor du dich entscheidest?«
»Wozu?« Sie sprach mit sanfter Stimme, denn er sollte unbedingt merken, dass sie ihm keinen Vorwurf machte. »Es gibt keine Zukunft für uns beide. Das weißt du ebensogut wie ich.«
Aber er war nicht in der Stimmung, sich so einfach abfertigen zu lassen. Mit ein paar zornigen Schritten war er bei ihr. »Du wirst nicht gehen.«
»Doch, das werde ich.«
Er türmte sich vor ihr auf, und sie fragte sich, ob er seine Größe absichtlich benutzte, um sie einzuschüchtern. »Du hast mich gehört. Du bleibst hier! Nach Florida zu gehen ist eine Schnapsidee. Was wäre das für ein Leben, für einen Hungerlohn zu schuften und von anderen abhängig zu sein, wenn es um das Dach über deinem Kopf geht?«
»Jetzt ist es auch nicht anders«, meinte sie.
Einen Moment lang war er entsetzt, doch dann machte er einen wegwerfende Handbewegung. »Das ist überhaupt nicht dasselbe. Hier hast du Freunde.«
»Und Feinde.«
»Das wird sich ändern, sobald die Leute kapieren, dass du ein fester Bestandteil der Gemeinde bist.«
»Wie kann ich je dazugehören? Ich habe hier überhaupt keine Zukunftsaussichten.«
»Und du glaubst, du hättest mehr Aussichten, wenn du für einen Hungerlohn in irgendeinem billigen Andenkenladen in Florida arbeitest?«
Sie wandte sich von ihm ab. »Es ist bestimmt kein billiger Laden, und ich will mich auch nicht länger mit dir darüber streiten. Ich muss gehen.«
»Nein.«
»Mach‘s mir nicht noch schwerer, ich bitte dich.« Sie ging zum Liegestuhl und musste sich daran festhalten. Die Leinenbespannung fühlte sich rauh unter ihren Handflächen an. »Kayla kann im Imbiss bedienen. Ich werde noch bis einschließlich nächstes Wochenende dort arbeiten, also hat sie genug Zeit, alles
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