"Träume aus 1001 Nacht" 6
noch, dabei starb er vor mehr als dreißig Jahren“, gab Salina Al Besoud sanft zu bedenken. „Aber ich habe schöne Erinnerungen an ihn, die mir niemand nehmen kann. Denken Sie an die glücklichen Zeiten.“
Nach dem Dinner begab sich die Gesellschaft wieder in den Salon. Leise Musik spielte, und ein Tisch mit Karten war zum Spielen aufgestellt worden. Bridget blieb im Türrahmen stehen und suchte nach Rashid. Sie war zu müde, um noch länger aufzubleiben, und hoffte, dass er dafür Verständnis hatte.
Da entdeckte sie ihre Cousine und ging zu ihr hinüber. „Ich gehe schlafen“, sagte sie leise. „Meinst du, Rashid hält mich für unhöflich?“
„Überhaupt nicht. Schlaf gut. Morgen haben wir noch viel Zeit.“
In dem Moment trat Rashid zu ihnen. „Sie möchten sich zurückziehen?“
Bridget nickte, obwohl sie plötzlich hellwach war. Außer ihr brach noch niemand auf. Sie hoffte, er würde es ihrem Kummer zuschreiben und nicht gekränkt sein.
„Schlafen Sie gut, Bridget, und danke, dass Sie so freundlich zu meinem Sohn waren.“
„Inwiefern?“, wollte Francesca wissen. „Wann hast du Mo kennengelernt?“
„Vorhin. Es ist gar nichts. Ich werde ihm nur morgen früh ein Buch vorlesen“, erklärte Bridget hastig.
„Wir wollten eigentlich den Tag am Pool verbringen. Komm, so schnell du kannst, nach.“ Francesca nahm ihre Cousine in den Arm. „Ein bisschen Sonne wird die Blässe aus deinem Gesicht vertreiben.“
Bridget ging die Treppe hinauf, als Rashid sie noch einmal rief.
Sie drehte sich um. „Ja?“ Er war ihr gefolgt und stand nun zwei Stufen unter ihr.
„Meine Großmutter hat mir erzählt, dass Sie ihr ebenfalls vorlesen werden. Ich habe Sie nicht eingeladen, damit Sie meine Familie unterhalten.“ Er klang irritiert.
„Es ist kein Problem. Ich mag Kinder und verbringe gerne Zeit mit Mo. Und Ihre Großmutter hat ein Buch, das uns beide interessiert, warum sollten wir es also nicht zusammen lesen? Und wenn es mich von meinem Kummer ablenkt, ist es umso besser. Das Leben geht weiter.“
„Möchten Sie nicht lieber den Tag mit Francesca am Pool verbringen? Und mit den anderen?“
„Nicht den ganzen Tag. Das wird mir zu heiß. Außerdem habe ich keinen Badeanzug. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich einen brauchen könnte.“
„Wir haben Badeanzüge zum Ausleihen am Pool, außerdem Sonnencreme und -schirme.“
Er schien sie aufmerksam zu mustern, und Bridget fühlte sich wie erstarrt. Ihr Herz raste.
„Ich schaue mir die Badeanzüge an“, versprach sie leise. Was er wohl täte, wenn sie sich jetzt nach vorn beugte und ihn küsste?
Und was würde sie tun, wenn sie so verrückt wäre, es auszuprobieren?
Als sie sich umdrehte, fiel sie beinahe die Treppe hinauf. Sie musste fort von ihm, bevor sie sich vor diesem Mann lächerlich machte.
Rashid beobachtete nachdenklich, wie Bridget zu ihrem Zimmer hinaufeilte. Seine Hand schloss sich fest um das Geländer, und er musste sich zwingen, ihr nicht nachzulaufen. Das Bedürfnis, nachzusehen, ob sie auch wirklich alles hatte, was sie brauchte, war beinahe unbändig.
Ebenso wie das Bedürfnis, herauszufinden, ob er sich diese Faszination zwischen ihnen gerade nur eingebildet hatte.
3. KAPITEL
Am Vormittag trat Rashid in Mos Zimmer, fand es aber verlassen vor und rief nach Alaya.
„Sir?“ Das Kindermädchen kam aus dem angrenzenden Raum.
„Wo ist Mo?“
„Die junge Miss hat ihn mit in den Garten genommen. Sie wollten lesen.“ Erschrocken sah sie ihn an. „Hätte ich es nicht erlauben dürfen?“
„Wo im Garten?“
„Ich weiß es nicht. Wir haben verabredet, dass sie spätestens zum Mittagessen wieder da sind.“
Er nickte kurz und ging. Alaya lief ihm nach. „Soll ich sie suchen?“
„Nein danke, ich sehe selbst nach ihnen.“
Rashid hatte keine Ahnung, wo die beiden sein könnten, aber weit konnten sie nicht gekommen sein. Mo war noch klein, und Bridget kannte sich hier nicht aus. Nach zehn Minuten hatte er sie allerdings immer noch nicht gefunden. Selbst am Pool hatte er nach ihnen Ausschau gehalten, doch dort lagen nur Marie und Francesca in ihren Liegestühlen. Von Bridget und Mo keine Spur.
Fast wollte er schon aufgeben und die Gärtner um Hilfe bitten, da hörte er Mo lachen. Verwirrt sah er sich um und entdeckte die beiden schließlich in einem Baum.
Die Hände in die Hüften gestemmt, sah er in die Krone der alten Zeder hinauf. Auf einem dicken Ast, an den Stamm geschmiegt, saßen Bridget und Mo dort
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