"Träume aus 1001 Nacht" 6
Telefon klingelte. Es war Kaliq.
„Geht es dir gut?“, fragte er.
„Sicher. Warum?“
„Elise hat gemeint, du seist schon vor dem Lunch gegangen.“
„Und hat sie dir auch gesagt warum?“
Er schwieg einen Augenblick. „Nein.“
„Hast du ihr überhaupt die Gelegenheit dazu gegeben?“
„Ich wollte dich anrufen, und du hattest dein Telefon auf sie umgestellt. Dann habe ich versucht, dich zu Hause zu erreichen. Aber da ging niemand ans Telefon.“
„Ich war einkaufen.“
„Du hast was gemacht?“
„Wir hatten doch ausgemacht, dass ich mir am Dienstag etwas zum Anziehen für den großen Tag kaufen würde.“
„Ach ja, das hatte ich ganz vergessen. Weil Schwarz nicht passt.“
„Genau.“
„Und hast du etwas gefunden?“
„Ja, und es ist ganz bestimmt nicht schwarz.“
„Weiß?“
„Nein, das fand ich nicht so passend. Es ist cremefarben. Und ich habe auch einen kleinen Hut mit Schleier erstanden.“
„Ah, du wirst also aussehen wie eine richtige amerikanische Braut.“
„Nein, nicht wirklich, aber schon recht klassisch. Ist das ein Problem für dich?“
„Nein, ich freue mich schon, morgen von dir überrascht zu werden. Bist du morgen Vormittag noch im Büro? Oder soll ich dich morgen Mittag zu Hause abholen?“
„Morgen arbeite ich natürlich nicht. Du etwa? Es ist schließlich unser Hochzeitstag! Und ich kann in diesem Aufzug ganz sicher nicht ins Büro gehen. Außerdem kannst du mich nicht abholen kommen. Das bringt Unglück. Ein Bräutigam darf seine Frau nicht vor der Hochzeit sehen. Susan und ich werden uns ein Taxi nehmen, wir treffen uns dann direkt im Büro des Friedensrichters.“
„Ich schicke euch Hasim. Du kannst ihm dein Gepäck mitgeben, das kann er anschließend gleich ins Apartment bringen, sodass alles schon da ist, wenn wir später nach Hause kommen. Ich habe Elise einen Tisch im Waldorf buchen lassen. Ich hoffe, du bist mit meiner Wahl einverstanden. Susan ist natürlich auch eingeladen.“
„Wer kommt denn noch?“ Molly war ein wenig verärgert, dass er wieder einmal alles arrangiert hatte, ohne sie überhaupt zu fragen, ob es ihr recht war. Er mochte zwar ein dynamischer und kraftvoller Mensch sein, aber sie würde nicht zulassen, dass immer alles nach seinem Willen ging.
„Elise, Phil Mannering und Abe Miller.“ Obwohl Molly Abe nie kennengelernt hatte, wusste sie doch, dass Kaliq und er sich bereits seit vielen Jahren kannten.
„Was ist mit deinem Cousin Roeuk?“
Es herrschte eine kleine Funkstille. „Ich habe meine Familie noch nicht über unsere Heirat informiert.“
„Ich verstehe.“ Aber eigentlich konnte sie es nicht nachvollziehen. Warum machte er ein so großes Geheimnis darum? Wollte er heimlich heiraten, so schnell wie möglich seine Greencard bekommen und sich scheiden lassen, noch bevor seine Familie etwas davon erfuhr?
„Das glaube ich zwar nicht, aber ich habe keine Zeit, jetzt darauf einzugehen. Wir sehen uns dann morgen.“
„Kaliq, warum hast du mich eigentlich sprechen wollen?“
„Ach so, ich wollte nur die aktuellen Zahlen für Alabaster , du weißt schon, diesen neuen Frachter, den wir gekauft haben.“
„Die findest du in der linken Schublade meines Schreibtisches. Elise kann dir die Mappe bringen.“
„Ich bin nicht so hilflos, als dass ich mir den Ordner nicht selbst holen könnte“, erwiderte er trocken.
Kaliq hängte den Hörer ein und überlegte. Er hatte das mit dem Frachter nur als Ausrede benutzt, um sie anrufen zu können. Als er von Elise erfahren hatte, dass Molly sich für den Tag freigenommen hatte, hatte er vermutet, dass irgendetwas nicht stimmte. Es hieß doch, dass schwangere Frauen manchmal etwas seltsam reagierten. Er wusste nicht viel, außer dass ihnen meist in den ersten Monaten ständig schlecht wurde und sie sehr launisch sein konnte. Und irgendwie hatte er befürchtet, dass Molly es sich vielleicht anders überlegt hatte und die Hochzeit abblasen wollte. Für ihn war die Lösung mit der Heirat perfekt. Er würde seine Assistentin behalten und eine Greencard bekommen.
Molly war zudem ein wirklich angenehmer Mensch. Und privat war sie erstaunlicherweise gar nicht so kühl wie im Büro.
Kaliq hatte nach seiner Ehe hin und wieder eine Affäre gehabt. Mit wunderschönen Frauen, meist Models, die er auf irgendwelchen Empfängen kennengelernt hatte. Aber keine hatte bei ihm das Bedürfnis ausgelöst, sie vor allem Unbill im Leben zu schützen, so wie Molly. Dass er so für eine Frau
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