"Träume aus 1001 Nacht" 6
sollte sie erst ein Bad nehmen? Nein, Kharun hatte sie davor gewarnt, allein zu schwimmen. Vielleicht gab es gefährliche Strömungen. Rasch kehrte sie zu seinem Anwesen zurück. Eine kleine Pforte führte zu den wundervollen Gärten, dann ging es wieder den schmalen Weg entlang.
Sara fragte sich, ob sie Blumen pflücken sollte, um einen Strauß in ihr Zimmer zu stellen. Dann aber sagte sie sich, dass es besser sei, die Blumen hier draußen wachsen zu lassen. Sie konnte sie ja von ihrer Veranda aus bewundern. In der Eingangshalle angekommen, überlegte sie, dass es vielleicht an der Zeit sei, sich ein wenig in der Villa umzusehen. Es gab ja noch so viel zu entdecken.
Plötzlich hörte sie jemanden an die Tür klopfen. Sollte sie aufmachen oder besser auf Kharun warten? Wieder klopfte es. Sara öffnete. Vor ihr stand eine ältere Dame, die ganz in Schwarz gekleidet war. Sie machte einen nicht gerade freundlichen Eindruck und musterte Sara von Kopf bis Fuß.
„Ich hoffe, Sie sprechen Englisch, da ich leider kein Arabisch kann“, sagte Sara.
„Eine Frau sollte die Sprache ihres Ehemannes beherrschen“, erwiderte die andere scharf. „Das ist wohl das Mindeste, was man von ihr erwarten kann. Aber vielleicht bitten Sie mich herein.“
„Bitte sehr.“
„Ich nehme an, es ist zu viel von einem Neffen verlangt, dass er seine Tante und seinen Onkel über seine Heirat unterrichtet. Es sieht ihm ähnlich, keinen Wert auf Familie und Tradition zu legen. Ich habe sogar mit Hamsid darüber gesprochen, aber ihn stört das nicht. Typisch Mann!“
Sara schaute die andere Frau an. Es musste sich um Kharuns Tante handeln. Hatte er ihr gegenüber Sara erwähnt?
„Wo ist er denn eigentlich?“
„Meinen Sie Kharun?“
„Natürlich, wen denn sonst?“
Jetzt konnte nur ein Wunder helfen. Sicher, die Umstände ihrer Hochzeit waren geheim gehalten worden, doch erwartete man bestimmt, dass das Paar sich am ersten Tag der Ehe gemeinsam in der Öffentlichkeit zeigte. Zumindest sollte sie als seine Ehefrau wissen, wo er sich aufhielt. „Ich gehe ihn holen“, antwortete sie unsicher. „Wenn Sie hier bitte solange warten.“
„Ich habe nicht die Absicht, Wurzeln zu schlagen. Aber sagen Sie, wo sind die Hausangestellten?“
„Wir haben ihnen einige Tage freigegeben, damit wir ganz allein sind.“
„Dann beeilen Sie sich.“
Sara machte sich auf die Suche. Sie konnte nur hoffen, dass Kharun das Haus nicht verlassen hatte. Was sollte sie sonst seiner Tante gegenüber sagen? Wie viele Räume diese Villa wohl hatte? Sie machte jede Tür auf, an der sie vorbeikam. Doch von Kharun keine Spur. Und seine Tante wurde sicher immer ungeduldiger. Verzweifelt blieb Sara stehen. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie tun sollte. Da hörte sie plötzlich Stimmen. Offenbar war Kharun zu seiner Tante gegangen. Erleichtert kehrte Sara zu den beiden zurück, doch erkannte sie auf den ersten Blick, dass sie in eine Unterhaltung vertieft waren, die nicht gerade freundschaftlich verlief.
Kharun erblickte seine Frau, verstummte und warf ihr ein strahlendes Lächeln zu. Zum ersten Mal, wie sie glaubte, und vor Freude darüber schlug ihr Herz plötzlich schneller. Sie hatte ihn ja von Anfang an attraktiv gefunden, aber mit diesem heiteren Gesichtsausdruck war er einfach umwerfend charmant. Mit diesem Lächeln konnte er jede Frau der Welt erobern.
Es gelang ihr kaum, den Blick von ihm abzuwenden, während sie langsam auf ihn zuging. Ihre Haut prickelte leicht. Von diesem Mann ging eine ungeheure erotische Anziehungskraft aus! Wie sollte sie dem nur widerstehen? Die obersten Knöpfe seines Hemdes standen offen, sein Haar war leicht zerzaust, als wäre er mit den Fingern hindurchgefahren. Oder hatte der Wind darin gespielt, als er am Meer spazieren gegangen war? Er trug eine sportliche Hose und war barfuß. Bei dem Gedanken daran, dass dies ihr Ehemann war, erschauerte Sara.
„Ich habe mich schon gefragt, wo du bist“, sagte er mit samtweicher, tiefer Stimme, wobei er sie mit Blicken zu streicheln schien. Er nahm ihre Hand und zog sie zu sich heran. Im nächsten Moment hatte er sie in die Arme genommen und küsste sie auf den Mund.
Sara aber kannte ihn ja gar nicht richtig. Sie war sich nicht einmal sicher, ob er zumindest Sympathie für sie empfand. Sicher hatte dieser Kuss keinerlei Bedeutung für ihn. Sie aber hatte das Gefühl, im siebten Himmel zu sein. Eine leichte Berührung, und schon schwanden ihr die Sinne. Als sie seine
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