"Träume aus 1001 Nacht" 6
seine Seite ziehen konnte. Seine Tante aber würde er sicher nicht überzeugen können. Jetzt jedoch ging es erst einmal darum, mit Sara ins Reine zu kommen. Langsam beruhigte er sich. Wenn Sara nicht noch heute zurückkehrte, würde er sich zu ihr aufmachen.
„Ich verstehe nicht, Sara.“
„Mum, bitte, du musst mir vertrauen.“
„Aber du hast nicht einmal einen Koffer mitgebracht. Und was wird Kharun sagen, wenn du die Nacht hier verbringst?“
„Er wird froh sein, seine Ruhe zu haben.“
„Wie bitte? Was geht hier eigentlich vor? Seitdem du hier heute Morgen angekommen bist, hast du zweimal telefoniert. Das ist alles. Ansonsten gehst du auf und ab und starrst Löcher in die Luft. Du hast nicht einmal gegessen. Was ist nur los mit dir?“
Sara schaute ihre Mutter lange an. Sie hatte sich selbst in diese Lage gebracht, und sie musste selbst sehen, wie sie das durchstand. Schließlich war sie eine erwachsene Frau und kein kleines Kind mehr. „Es ist alles in Ordnung mit mir.“
Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Wenn du nicht darüber sprechen willst, kann ich das verstehen. Aber wenn du mich brauchst, bin ich für dich da. Und dein Vater natürlich auch.“
„Danke.“ Sara lächelte leicht. Sie ging zum Fenster und schaute hinaus. Das Telefonat mit Pete hatte keine Lösung gebracht. Er würde niemals zugeben, dass die Zeitung die Unwahrheit veröffentlicht hatte. Jetzt ging es vor allem darum, den Schaden in Grenzen zu halten. Sara schreckte aus diesen Gedanken hoch, als sie ihren Vater eintreten hörte.
„Sara, sicher wird es dich interessieren, was ich für Neuigkeiten mitgebracht habe.“
„Was gibt es denn?“, riefen Mutter und Tochter wie aus einem Mund aus.
„In wenigen Stunden werden die Verträge unterschrieben. Wir haben einige Kompromisse eingehen müssen, da Kharun ein hartnäckiger Verhandlungspartner ist, doch jetzt haben wir die Konzession für die nächsten zehn Jahre.“
„Darling, das ist ja wundervoll. Dann können wir bald nach Hause, oder?“
„Ich denke, nächste Woche.“
Sara hatte das Gefühl, dass man ihr den Boden unter den Füßen wegzog. Es war vorbei. Ihre Ehe ging unweigerlich dem Ende entgegen. Vermutlich machte Kharun sich nicht einmal Gedanken darum, wo sie war. „Herzlichen Glückwunsch, Dad“, sagte sie, doch es klang gequält. Rasch fügte sie hinzu: „Ich bin müde und ziehe mich zurück.“ Schon hatte sie das Zimmer verlassen.
„Was geht denn eigentlich vor?“, fragte ihr Vater verwundert.
„Das weiß ich auch nicht“, antwortete seine Frau.
Sara ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Endlich konnte sie den Tränen freien Lauf lassen. Sie war dem Paradies so nah gewesen, und jetzt hatte sie alles verloren. „Ach Kharun“, flüsterte sie. Er hatte nicht angerufen und auch sonst keinen Versuch unternommen, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Und nach dem Abschluss der Verhandlungen gab es ja auch keinen Grund mehr dafür.
Sie aber sehnte sich unendlich nach ihm. Sie wünschte, sie könnte das ganze Leben mit ihm teilen. Und sie wollte ihn davon überzeugen, dass sie ihn nicht ausspioniert hatte. Auf einmal hörte sie, wie an die Tür geklopft wurde. War er es vielleicht? Mit wild pochendem Herzen machte sie auf. Vor ihr standen zwei Polizisten.
„Sara Kinsale?“
„Ja.“
„Bitte kommen Sie mit uns.“
„Was ist denn?“
„Machen Sie keine Umstände.“ Einer der Polizisten nahm sie beim Arm, aber Sara wollte unbedingt ihren Eltern Bescheid geben, schließlich konnte sie nicht wieder so einfach verschwinden.
„Lassen Sie mich“, stieß sie hervor, doch der Polizist hielt sie fest. Schon wurde sie zum Fahrstuhl geführt. Was sollte sie nur tun? Würde man sie wieder einsperren, ohne dass sie ihre Eltern oder die Botschaft benachrichtigen konnte? Man schob sie auf die Rückbank eines Polizeiwagens. Sara machte sich unendliche Sorgen. Was ging hier vor? Sie starrte aus den Wagenfenstern, doch in der Dunkelheit war nicht zu erkennen, wohin sie fuhren.
Endlich hielt der Wagen, und der Fahrer sagte etwas auf Arabisch. Der andere Mann stieg aus und öffnete Sara die Tür. „Was ist denn?“, fragte sie.
„Wir warten.“
„Worauf?“
Er zuckte nur die Schultern und wandte sich ab. Sara lehnte sich gegen den Wagen. Sie hatte nicht die geringste Vorstellung, wo sie war. Am Horizont sah man einen schwachen Lichtschein. Das war vermutlich Staboul City. Auf einmal hörte sie ein merkwürdiges Geräusch und drehte sich um. Das
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