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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
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glauben.« Unwillkürlich erhob sich Tsuruko und trat zu Sakiko hin und richtete ihr behutsam den Kragen.
    »Was denn für Träume?« fragte Sakiko, wobei sie sich
hinter Tsuruko stellte und wie beim Huckepack ihre
Schultern umschlang: »Solche Träume?«
»Freilich, ja!«
    Sakiko zog mit einem Sprung ihre Beine hoch und schloß dabei die Augen.
    »Aber dein Kopf, wie der heiß ist! Mir scheint, du hast
etwas Fieber.«
»Vielleicht.«
    Daß sie so mit Sakiko zusammen war und daß sie zuvor mit Imamura den Spaziergang gemacht hatte, – beides war ein solches Glück für Tsuruko, daß sie es wie eines empfand.

    Wer von ihnen zuerst eingeschlafen war, wußte Tsuruko nicht. Als sie aber mitten in der Nacht plötzlich aufwachte, fand sie es jedenfalls irgendwie recht seltsam, daß Sakiko neben ihr lag. Es schien, als wäre sie aufgewacht, weil sie vielleicht doch Fieber hatte; Sakiko zu wecken, brachte sie freilich nicht über sich. Schrecklich einsam fühlte sie sich. Wenn sie wie ihre ältere Schwester lange krank läge und könnte bis spät in die Nacht nicht einschlafen, dafür aber schliefe ihre Wärterin fest, – wie verloren müßte sie sich dann vorkommen!
    »Gewiß hat meine Schwester ihre Krankenhauszeit in Gedanken zugebracht, die sich jemand wie ich einfach nicht vorstellen kann.« Während ihr das jetzt zum erstenmal zum Bewußtsein kam, wurde ihr plötzlich kalt im Nacken, und ihr fielen die Worte Imamuras ein: ›Versuche dich heute nacht im Bett einmal genau zu erinnern.‹ Und: ›Du mußt zusehen, daß du das mit deiner Schwester rasch überwindest.‹
    Die Erinnerung, die ihr hierauf zuerst aufstieg, war die an einen Tag aus ihrer frühen Kindheit, noch bevor ihre Schwester oder sie selber in die Schule gingen.
    Ihr Vater hatte sie und die Schwester zur Zeit des Herbstfestes mitgenommen in die Stadt in das Haus einer Tante. In der Familie dort gab es eine Kusine, die im selben Alter war wie Tsuruko. Die drei Kinder waren außer sich vor Freude über ihre Festkimonos aus buntgemustertem Yūzen-Krepp und ihre hohen, mit Strohgeflecht bezogenen KopporiSandalen.
    Weil dabei so hübsch das klappernde ›Koppo-koppo‹ der Koppori-Sandalen zu hören war, liefen die drei bald übermütig kreuz und quer durch die Stadt. Tsuruko streckte ihre beiden Arme aus und ließ sie kreisen, bis die langen herumwirbelnden Kimonoärmel aufgewunden waren. Dann drehte sie die geballten Fäuste in der Gegenrichtung, daß sich die umgeschlagenen Ärmel wieder aufrollten, und begann, sie abermals um die Arme festzuwinden. Die Kusine machte es ihr sogleich nach. Nur die altere Schwester schwenkte ihre Ärmel nicht. Schließlich gelangten sie an den Rand der Stadt. Dort spannte sich eine Brücke. Von niemandem bemerkt, liefen sie an das Geländer hin, breiteten manierlich ihre Ärmel darauf aus und schauten hinab in die Strömung des kleinen Flusses.
    Dabei begannen die Kinder, mit ihren KopporiSandalen Steine zu ihren Füßen und Erde aufzuscharren und in den Fluß zu stoßen. Und mit jedem Aufschlag, der aus dem Fluß unten zu hören war, benahmen sie sich wilder. Doch dann plötzlich schrie die Schwester leise auf und beugte sich halb über das Geländer.
    Als auch Tsuruko und die Kusine erschrocken hinab-
schauten, trieb Schwesters kostbare Koppori-Sandale,
die Sohle nach oben gekehrt, schon schwankend da-
von.
»Schau, da!«
»O je!«
    Im nächsten Augenblick hatte Tsuruko ihre TabiSöckchen ausgezogen, krempelte den Kimonosaum hoch und rannte los. Kletterte an der Brückenwange die steinernen Stufen hinunter. Und plötzlich lief sie ins Wasser und hatte die davontreibende KopporiSandale eingeholt. Die triefende Sandale in der Hand, kehrte sie um. Die ältere Schwester und die Kusine hatten sich weit über das Geländer gebeugt, sonst aber nichts getan, als gaffend zugeschaut.
    »Ist die naß«, sagte Tsuruko, und stellte die Sandale auf das Geländer.
    »Ja sowas!« Während ihre Augen vor Freude blitzten, streichelte die Schwester über die Sandale. Die Kusine, so entsetzt, daß sie nicht einmal über die Komik lachen konnte, starrte Tsuruko an, die noch immer ihren Kimono bis zum Bauch hochgekrempelt hatte: »Tsuruchan, guck doch!« Und die Schwester machte ihr mit den Augen ein Zeichen, sie solle den Kimono herunterlassen. Ein wenig senkte Tsuruko ihn vorn, hielt aber den Saum auch weiter hochgeraf, stellte so ihre eigenen Sandalen vor die Schwester hin und sagte: »Zieh doch bitte die an!«
    Die ältere Schwester in

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