Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
Vom Netzwerk:
sprangen auf, als er lächelte. Alice Hobden und er hatten sich schon verliebt, als sie noch Kinder waren. Er dachte an ihr üppiges braunes Haar und die dunklen Augen, ihre cremefarbene Haut und das kehlige Lachen. Sie hatten große Pläne für die Zukunft, bevor sich das Schicksal einschaltete und man ihn fälschlicherweise wegen Diebstahls verklagte.
    Ein Kloß setzte sich in seiner Kehle fest, den er rasch hinunterschluckte. Er hatte seinen wohlhabenden Ankläger gekannt, einen benachbarten Großgrundbesitzer, der Jacks satte Weiden begehrte und entschlossen war, sie zu bekommen, sei es auch auf krummen Wegen. Der Stier war absichtlich zu Jacks Kühen auf die Weide gestellt worden, und noch ehe er etwas dagegen unternehmen konnte, hatte man ihn schon vor das Schwurgericht gezerrt.
    Die Gerichtsverhandlung war kurz, denn sein Ankläger hatte Freunde in hohen Positionen und das Geld, um den Richter zu bestechen. Für die ersten drei Jahre seiner lebenslangen Haftstrafe hatte man Jack in ein Gefangenenschiff geworfen, und nur dank des Entgegenkommens eines Freundes war er in der Lage gewesen, Alice den Hof zu überschreiben. Wenigstens das Anwesen wäre dann vor dem Mann in Sicherheit, der ihm solches Unrecht zugefügt hatte, und Alices Zukunft wäre abgesichert.
    Dennoch konnte er es nicht ertragen, sie wiederzusehen. Er hatte ihren Besuch abgelehnt, auch als am Ende feststand, dass er schließlich deportiert werden sollte. Er wusste, er musste sie gehen lassen – sie von den Versprechen erlösen, die sie einander gegeben hatten.
    Die Erinnerungen waren schier unerträglich, und er schlug die Augen auf. Selbst mit einer Wirklichkeit wie dieser konnte man leichter umgehen als mit dem Gedanken, dass Alice einen anderen heiratete und eine Familie in dem Zuhause gründete, in dem sie einst gemeinsam hatten alt werden wollen.
    Er lauschte auf die Geräusche ringsum. Das Scharren des Ungeziefers und das Stöhnen der Kranken und Sterbenden waren inzwischen so vertraut wie das Knarren der Schiffsplanken. Zumindest musste er sich nicht mehr mühsam aufsetzen, denn das Wasser reichte ihm nicht mehr bis an die Taille wie bei stürmischer See. Da hatte ihn die Klaustrophobie richtig gepackt, denn hier unten war es stockdunkel, und als das Wasser immer höher stieg und das Schiff schlingerte und stampfte, war seine Angst so groß, dass er die Kontrolle über sich verloren hatte. Doch seine Schreie waren ebenso wenig beachtet worden wie die aller anderen. Anscheinend scherte sich niemand darum, ob sie ertranken. Die Schiffseigner waren bereits gut bezahlt worden, und es spielte keine Rolle, ob ihre Ladung verschwand.
    Er wollte die Augen schon wieder schließen und sich auf den willkommenen endlosen Schlaf des Todes vorbereiten, als ihm etwas auffiel. Die Surprise segelte nicht mehr. Sie dümpelte vor sich hin, als wäre sie in seichtem Gewässer; er vernahm die Rufe von Männern und das Quietschen von Rudern.
    Unter Schmerzen stützte Jack sich auf einen Ellenbogen und lauschte angestrengt. Tief in seinem Inneren glomm ein Funke Hoffnung auf.
    Die Schiffe waren wenige Wochen nach der Ankunft und der hastigen Abfahrt der Lady Juliana vor der Landspitze gesichtet worden. Die Männer und Frauen der Kolonie versammelten sich erneut am Ufer und wagten kaum zu hoffen, dass dies tatsächlich die Zweite Flotte war – dass endlich die Rettung gekommen war.
    Billy hatte Gilbert inständig gebeten, ihn mit der Flottille kleiner Boote hinausfahren zu lassen, die Gouverneur Phillip der Neptune entgegenschickte; jetzt ruderte er begeistert mit fünf anderen Männern auf die Schiffe zu. Bei dem Gedanken an die Nahrungsmittel, die sie wohl mitgebracht hatten, lief ihm bereits das Wasser im Mund zusammen, denn es hatte den Anschein, als sollten sie endlich vor dem Verhungern gerettet werden. Vielleicht existierte Ezras Gott ja wirklich.
    Sie wollten schon die Ruder einziehen, als der Ruf vom Gouverneur erging, wieder ans Ufer zurückzukehren. Billy war versucht, ihn nicht zu beachten. Sie waren so nah, stießen beinahe an die Neptune  – da fing er Gilberts Blick auf und merkte, dass hier etwas ganz und gar nicht in Ordnung war, denn das Gesicht des Mannes war wächsern.
    Sie kehrten ans Ufer zurück, ihre Neugier war geweckt, ihre Enttäuschung rumorte in den leeren Mägen. Murrend und ungeduldig warteten sie an dem provisorischen Anleger, den die Sträflinge kurz nach ihrer Ankunft gebaut hatten. Er war klein und reichte nicht aus, aber

Weitere Kostenlose Bücher