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Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum

Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum

Titel: Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Felix M. Lützenrath
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5 ist Mike, wer auch sonst? Ein viel zu dicker, grinsender, käsebleicher Ami mit viel zu viel Sonnencreme im Gesicht, der mit seinen ca. 20 Jahren echt bemitleidenswert wirkt. Später dachte ich: eigentlich fies mir, so ein Urteil über jemanden zu bilden, den ich überhaupt nicht kenne, jedoch wurde mein Urteil bereits gestern in Burgos gefällt, wo er mir das erste Mal begegnete. Ich stehe grade vor der Kathedrale, da kommt er, mit einer Zigarette im Mund, auf mich zu: „Hello, are you a pilgrim?“ Verdutzt schaue ich ihn an und frage mich, was an meinem Outfit, den dreckigen Wanderstiefeln, dem unrasierten Bart, meinen Stöcken und dem dicken, knapp 20kg Rucksack mit Jakobsmuschel auf meinem Rücken etwas anderes vermuten lässt. Anscheinend ist mein Blick aussagekräftig genug und er kommt gleich zur nächsten Frage: „Do you know, where the albuerge is?“ Na klar weiß ich das, du Pfeife, einfach den gelben Pfeilen folgen und du stößt automatisch früher oder später auf eine Herberge. Dennoch antworte ich freundlich und erkläre ihm, dass er sie ein paar hundert Meter die Straße weiter finden würde. Er kommt mir nicht wie ein Pilger vor in seiner Gestalt und mit seinem Outfit. Die merkwürdigen Fragen rundeten das Bild ab, um ihn in die Kategorie „Kenne ich nicht und will ich auch nicht kennen“ einzusortieren. Nach einem ausgiebigen Abendessen mit ordentlich Wein, sitzt unsere Runde noch bis spät in die Nacht draußen unterm Sternenhimmel und leert eine Rotweinflasche nach der anderen. Um etwa 1 Uhr, so genau weiß ich es nicht mehr, bin ich dann so todmüde, dass ich mich in mein Zelt im Garten zurückziehe und tief und fest binnen weniger Sekunden schlafe.

22.06.09, Montag — Sambol nach Boadilla del Camino

    Bis beinahe 11 Uhr morgens dauert mein Winterschlaf. Als ich aufwache, sind schon alle weg. Gemütlich mache ich meine Sachen startklar und geselle mich noch zum Hospitalero auf ein kurzes Frühstück, bevor ich starte. Heute geht’s mal wieder durch Wiesen und Felder. Soweit ich mich an letztes Mal erinnern kann, ein ziemlich lockerer Spaziergang ohne größere Steigungen. Irgendwie fasziniert es mich genau wie gestern, dass ich alles schon kenne und die Erinnerungen kommen nach und nach, Meter für Meter, wieder zurück. Ist, als hätte ich durchgehend Déjà-vu-Erlebnisse. In meinem letzten Reiseführer habe ich eine Mohnblume auf der letzten Seite gepresst, da am Camino alles voll von diesen roten Blumen ist. Nun tauchen sie mehr und mehr auf und beginnen mich auf meinen Weg genau wie die immer mehr werdenden Schmetterlinge zu begleiten. Die Schmetterlinge machen mir besonders Freude. Ganz besonders auffällig finde ich die weiß-schwarz gepunkteten, die mir ständig um den Kopf und vor meiner Nase herumfliegen.
    Die Temperatur steigt rapide an und gibt mir schon mal einen Vorgeschmack auf die vor mir liegende Frómista. Habe eigentlich vor, heute noch ca. 30 km bis nach Castrojeriz zu laufen, um dort am Fluss zu schlafen. Wenn ich mir jedoch meine Haut unter den Kniebandagen angucke, weiß ich nicht, ob das so eine gute Idee ist. Bei dieser Hitze schwitzt man wirklich extrem. Möchte die Bandagen am liebsten umgehend abnehmen und ins nächste Weizenfeld schleudern, denn wirklich bequem sind diese zusätzlichen Überzieher nicht, aber die Effektivität ist definitiv gegeben und so lasse ich es weiterhin schön warm an meinen Knien. Keine Ahnung, wie das in der Frómista wird, denn da gibt’s keinen Schatten. Das Gebiet wird auch Meseta (Tischplatte) genannt, da es flach wie ein Tisch ist.
    Zwar sehr schön zum Wandern, aber tödlich brütend heiß in meiner Erinnerung.
    Über die Wiesen und Kornfelder weht ein leichter Wind, der anscheinend nur dort weht, denn ich bekomme nichts davon ab. Dennoch ergibt sich mir wieder ein wunderschönes Naturspektakel, wenn der Wind weht und die Felder sich wie ein riesiges Meer aus Wasser dazu bewegen. Je höher und weiter ich über die Felder blicken kann, umso spektakulärer ist das Schauspiel. Heute passe ich jedoch auf meine Schnürsenkel auf, um eine weitere Bauchlandung tunlichst zu vermeiden.
    Um 15 Uhr erreiche ich Castrojeriz mit dem Problem, dass der Supermarkt um 14:30 Uhr geschlossen hat und nicht vor 17 Uhr wieder öffnet. Ganz schön dumm gelaufen, will doch eigentlich hinter dem Dorf am Fluss schlafen, aber so ganz ohne Verpflegung reizt mich das natürlich nicht. Inspektion ist angesagt und so krame ich alles Essbare aus meinem

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