Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum
Landschaft liegt oder den ganzen Pilgern um mich herum. Mein Wanderführer verrät mir außerdem, dass es später noch viel an der Schnellstraße entlang gehen wird, die parallel zur Autobahn verläuft. Noch ein Stück weiter unterquert man die Schnellstraße, um anschließend zwischen diesen beiden zu laufen! Besser könnte es nicht kommen. Oder doch? Mich holt plötzlich ein bildhübsches Mädchen mit blonden Haaren aus Freiburg ein und drängt mir ein Gespräch auf. Sie ist mit ihrer Mutter und ihrem Onkel unterwegs, die zum Glück ein gutes Stück hinter uns sind. Wir quatschen heiter über Dieses und Jenes und plötzlich steigt meine Laune deutlich an. Die Zeit vergeht wie im Flug. Wir erreichen Calzadilla de la Cueza. Dort muss sie nun auf ihre Begleiter warten, um mit ihnen einen Kaffee zu trinken. Schade, wäre gerne noch ein Stückchen weiter mit ihr gelaufen. Haben uns danach nie wieder gesehen. Mein Weg geht schnurstracks weiter, ich nehme mir Sahagún für heute als Ziel vor.
Als ich Terradillos de los Templarios passiere, schaut’s endlich mal wieder etwas hügeliger und angenehmer aus, jedoch leider nur von kurzer Dauer, denn hinter dem Hügel erscheint erbarmungslos nun die Autobahn. Jetzt geht’s erst richtig los mit meiner Laune und ich wünschte, die nette, unterhaltsame, junge Blondine von vorhin wäre nun bei mir. Habe vor etwa 30min meine Kniebandagen abgenommen und nun auch noch Knieschmerzen, was auf meine Laune keinen positiven Einfluss hat. Sofort bleibe ich stehen, um bloß keine falsche Bewegung zu machen, sonst ist Ende! Meine Kniebandagen müssen also doch wieder drauf.
Irgendwann schaffe ich es, dieses grauenvolle Stück von Schnellstraße und Autobahn hinter mir zu lassen. Ich passiere einen stillgelegten Brunnen und sofort kommt eine dieser vergessenen Erinnerungen zum Vorschein. „Secret Garden“ sagt mir eine Gehirnzelle. Genau hier an dieser Stelle war er letztes Mal. Nun liegt nur noch eine aus Steinen erbaute Schnecke an der Stelle. Der „Secret Garden“ war ein von zwei Pilgern verzaubertes Fleckchen, wo sie kühle Getränke, heißes Wasser, Tee, Kaffee sowie Früchte und Müsliriegel ausgelegt hatten. Auf einem kleinen Tisch stand eine Box, in der man seine Spende einwerfen konnte. Jeden Morgen kamen die beiden und füllten ihren Secret Garden auf, um ihn dann den Pilgern und ihrer Ehrlichkeit zu überlassen.
Habe heute wieder ein wenig Rückenschmerzen aufgrund des zu hohen Gewichtes meines Rucksackes, dafür sind aber meine Knie nun wieder durch die Bandagen schmerzentlastet. Man kann eben nicht alles haben. Allerdings mache ich heute eine neue Erfahrung. Kleine Steine habe ich bereits jede Menge in meine Schuhe bekommen, aber heute sind es keine kleinen Steinchen, nein, es sind die Weizenkörner mit ihren Grannen, die in die Schuhe kommen und sich erbarmungslos in den Socken verfangen, um dann in die Füße zu pieksen. Das ist aber noch gar nicht das Schlimme daran. Möchte man diese nämlich nun entfernen, kann man nicht einfach den Schuh ausziehen und diese wie Steinchen auskippen, man muss sie irgendwie in den Socken ausfindig machen und einzeln herausziehen, was leichter klingt, als es tatsächlich ist. Die Dinger verfangen sich so extrem, dass ich sie nicht mehr wieder finde. Wenn ich zwei oder drei entfernt habe, sind immer noch zwei weitere irgendwo versteckt, die weiter auf mich einstechen. Habe noch Tage später beim Waschen immer wieder welche gefunden. Teufelszeug, dieses Gewächs!
Nach all den Strapazen komme ich um 16 Uhr in Sahagún an und beschließe, wie geplant hier zu bleiben. Die municipal Herberge ist im Obergeschoss der hiesigen Kirche gelegen und durch die Anordnung der Betten sehr angenehm privat gehalten. Eine kleine Küche gibt es auch und so mache ich mein volles Programm. Heiß duschen, Wäsche waschen, Blasen und Wunden verarzten und einkaufen gehen, um mir was Leckeres zu kochen. Heute gibt es für grade mal 3,- € zwei dicke Scheiben Filet vom Schlachter, mit Reis und Tomatensalat. Meistens findet man in den Herbergen zurückgelassene Sachen wie Öl und Essig, Reis, Zucker, Salz und auch mal Knoblauch, Zwiebeln oder Kartoffeln. Heute ist es Öl & Essig für meinen Tomatensalat, ein wenig Oregano und 2 Zwiebeln sowie Reis fürs Hauptgericht. Ich lasse es mir schmecken und gehe danach früh ins Bett.
25.06.09, Donnerstag — Sahagún nach Mansilla de las Mulas
Habe eigentlich wie immer sehr gut geschlafen, bin nur einmal aufgewacht,
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