Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum
Allerdings sind es etwa 40 km bis dahin, also schon ein ordentliches Stück. Am Horizont sehe ich weiterhin die Berge von Astorga und nach und nach komme ich ihnen spürbar näher.
Um 12:15 Uhr durchquere ich Villar de Mazarife mit einem kurzen Besuch der Pfarrkirche des Apostels Jakobus.
Die Störche haben für ihre Nester den gestuften Glockenturm eingenommen und werden diesen wohl auch nicht mehr hergeben. Von innen ist die Kirche mit Mosaiken des ortsansässigen Künstlers geschmückt. Da dies die wohl einzige Sehenswürdigkeit hier zu sein scheint, setze ich meinen Weg fort, denn Hospital de Órbigo ist immer noch gute 20 km entfernt. Es geht weiter durch riesige Maisfelder, die mich links und rechts umgeben und Kilometer weit reichen. Da es auf einer Asphaltstraße nur noch grade aus geht und die Maisfelder nach einer Stunde auch nicht mehr so spannend sind, beginnt sich das
Stück ein wenig zu ziehen. Weit vor mir sehe ich jedoch bereits eine Stadt oder zumindest ein Dorf. Ist das eventuell schon Hospital de Órbigo? Wäre nicht schlecht, denn mir ist langweilig auf dieser graden Strecke und so ziehe ich mein Tempo ein wenig an. Das Dorf stellt sich als ein Örtchen namens Villavante heraus, wo es nichts Erwähnenswertes gibt. Glücklicherweise mache ich diese Feststellung, ohne es überhaupt zu betreten, denn vor mir deutet der gelbe Pfeil, den Weg nach rechts ins Dorf einzuschlagen. Da mir dies ein wenig spanisch vorkommt, orientiere ich mich zuvor lieber selbst auf meiner Karte und entscheide dann, nicht den gelben Pfeilen zu folgen, sondern direkt weiter geradeaus zu laufen. Etwa 1 km weiter trifft dann tatsächlich der „offizielle Camino“ wieder auf meinen Weg. Wäre ich den Pfeilen gefolgt, wäre ich mal wieder blöd durch ein Dorf geschleust worden, in dem es nichts zu sehen gibt. Es ist nun nicht mehr weit, allerdings spüre ich, dass ich die 40 km schon erreicht haben dürfte. Durch meine Alternativroute bretterten zwar keine Autos an mir vorbei, dafür ist das Stück aber nun einmal auch ein paar Kilometer länger. Zielstrebig laufe ich weiter und erreiche endlich den Vorort Puente de Órbigo und ein paar Minuten später die berühmte Brücke, die mich nach Hospital de Órbigo führt.
Noch traumatisiert von der gestrigen Nacht, laufe ich den Fluss ab, in der Hoffnung, einen guten Platz zum Zelten zu finden. Zwar ist der Fluss klar und sauber und es bieten sich auch ein paar Möglichkeiten, aber dennoch beschließe ich, einen Blick in die Herberge zu werfen, die in meinem Reiseführer für 3,- € die Nacht angepriesen wird. Ich habe hier vor zwei Jahren schon einmal übernachtet und die Herberge war sehr einladend. Als ich dort ankomme, sitzt dort das wohl allerschönste Geschöpf, das mir jemals unter die Augen gekommen ist. Bisher dachte ich immer, das Mädchen aus San Nicolas vor 2 Jahren wäre eine Augenweide gewesen, aber diese Frau hier wird von einer heiligen Aura umgeben, als wäre sie grade vom Himmel zu uns auf die Erde herabgestiegen. Sie sitzt am Eingang neben dem Hospitalero mit einem Kruzifix an ihrer Halskette. Ihre großen braunen Augen schauen mich an, als ich eintrete. Ein Strahlen erfüllt meinen Körper, als säße dort ein Engel, der jedem Menschen Glückseligkeit beschert, der ihn erblickt. Sie hat eine leicht bräunliche Hautfarbe und brünettes, leicht lockiges Haar, in das sie ein paar Strähnen eingefärbt hat. Ihr Gesicht ist wunderschön, mit kleinen Pausbäckchen und leichten Wangenknochen, welche ihre großen braunen Augen und den schmalen Mund erst richtig zur Geltung bringen. Unschuldig mit dem schönsten Lächeln auf ihren Lippen empfängt sie die eintretenden Pilger und der rechts neben ihr sitzende Hospitalero verliert jede Beachtung. Ich stufe sie sofort als streng gläubig und unantastbar ein, als wäre sie eine Ordensschwester, welche von ihrer Klostermutter auf den Camino geschickt wurde, um danach noch überzeugter in ihr Kloster zurückzukehren und sich dann vollständig in Gottes Hände zu ergeben. Wie ich auf diesen Gedanken komme, kann ich mir nicht erklären. Sie übernimmt das Gespräch, als ich nach einer Schlafmöglichkeit frage und der Hospitalero mir deutlich macht, dass ich hier zwar herzlich willkommen sei, aber mein Zelt nicht aufbauen dürfe, da es im Dorf einen Campingplatz gibt. Er möchte mit diesem keine Probleme haben. Ich kann gerne draußen unter freiem Himmel nächtigen, aber mein Zelt ist tabu! Da er ziemlich aufgebracht ist,
Weitere Kostenlose Bücher