Traeume Suess, Mein Maedchen
verlassen?«
»Weil ihr Ex irgendein Perverser war. Er stand auf Kinderpornos und so.«
»Hat sie je erwähnt, wo sie gelebt hat?«
Lily schüttelte den Kopf. Er fing an, ihr Angst zu machen. »Glaubst du, sie lügt?«
»Sie hat mir erzählt, dass ihre Familie oft umgezogen ist, weil sie ein Soldatenkind war.«
»Nun, das ist nichts Ungewöhnliches, soweit ich gehört habe.«
»Nur dass es in Miami und Detroit, zwei der Städte, in denen sie angeblich gelebt hat, keine Armeestützpunkte gibt, und als ich sie darauf angesprochen habe, hat sie mir eine verrückte Geschichte von ihrer Mutter erzählt, die von Schulbehörde zu Schulbehörde versetzt worden sei.«
»Ihre Mutter war Schuldirektorin«, bestätigte Lily. »Vielleicht ist sie einfach immer dorthin gegangen, wo sich eine Gelegenheit aufgetan hat.«
»Emma hat gesagt, dass ihr Vater in Vietnam ums Leben gekommen ist, als sie ein kleines Mädchen war«, entgegnete Jeff.
»Und?«
»Ziemlich schwierig, wenn der Krieg schon vor ihrer Geburt beendet war.«
»Oh Gott.« Und sie hatte ihren Sohn in der Obhut dieser Frau gelassen, dachte Lily. »Ihr Sohn hat heute Nachmittag etwas Merkwürdiges gesagt«, erinnerte sie sich. »Ich dachte, es wäre bloß eine Fantasiegeschichte gewesen …«
»Was hat er gesagt?«
»Dass er eigentlich gar nicht Dylan heiße und seine Mutter nicht Emma, aber dass er das keinem sagen solle. Glaubst du, das könnte wahr sein?«
»Ich glaube Dylan jedenfalls eher als seiner Mutter«, sagte Jeff.
»Aber wenn sie nicht Emma Frost ist«, sagte Lily, »wer ist sie dann?«
Jeff schwieg, aber es war ein beredtes Schweigen. Ich weiß es nicht, sagte er ohne Worte. Aber ich werde es verdammt noch mal herausfinden.
24
Jamie saß an das hässliche dunkle Kopfbrett des massigen Doppelbetts gelehnt und versuchte, nicht zu weinen. Brad hatte ihr erklärt, dass sie aufhören sollte zu weinen, und es war wichtig, dass sie tat, was er sagte, weil sie ihn nicht wütend machen wollte. Wenn er wütend wurde - und sie hatte ihn im Laufe des langen Nachmittags oft wütend gemacht -, könnte er sie wieder schlagen. Und das durfte sie nicht riskieren. Vor allem jetzt nicht, wo er endlich entspannt und zufrieden am Fußende des Bettes saß und mit den Augen am Fernseher klebte. Er stützte sich locker auf seine Hände, und seine Füße baumelten über der abscheulichen senfgelben und grünen Überdecke.
Plötzlich lachte er johlend und drehte sich zu Jamie um. »Hast du das gehört, Jamie-Girl?«
Sie fragte sich, was sie gehört haben sollte, und ihr Rückgrat versteifte sich gegen das harte Holz. Ist es massiv oder furniert, fragte sie sich abwesend, weil sie Angst hatte, sich auf andere, drängendere Gedanken einzulassen. Zum Beispiel, wie sie aus diesem schrecklichen kleinen Zimmer in diesem grässlichen billigen Motel herauskam. Oder wie sie diesem grausamen Mann entkommen konnte, der ihr ständig seine Liebe erklärte, während er sie so heftig ins Gesicht schlug, dass sie ihre Zähne in den Ohren klappern hörte. Erstaunlich, dass sie ihn je attraktiv gefunden hatte, wunderte sie sich jetzt, sah sein bösartiges Lächeln über das Blau seiner Augen gleiten und verbannte solche ungebetenen Gedanken rasch wieder aus ihrem Kopf. Er würde sich zusammenreimen, was in ihr vorging, dachte sie, und sie wieder schlagen.
»Hast du das nicht mitbekommen?«, fragte er.
»Tut mir Leid«, sagte Jamie hastig. Sie hätte es mitbekommen sollen. Sie hätte besser aufpassen müssen.
»Was tut dir Leid?«
»Nichts. Tut mir Leid«, entschuldigte Jamie sich erneut. Brad stützte sich auf die Ellenbogen und lachte. »Gute Neuigkeiten, Jamie-Girl«, sagte er. »Du bist aus dem Schneider. Die Polizei von Atlanta glaubt, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun hat. Das ist wirklich nicht zu toppen.«
»Was?« Was sagte er da?
»Die Polizei nimmt an, dass deine Schwiegermutter von einem Serienkiller umgebracht wurde.«
Warum glaubt die Polizei das, fragte Jamie sich.
»Offenbar wurde im letzten Jahr zwei weiteren alten Damen der Schädel eingeschlagen«, antwortete Brad, als hätte sie die Frage laut gestellt.
Jamie begriff, dass er in ihren Kopf sehen konnte. Er konnte jeden ihrer Gedanken lesen. Deswegen war es so wichtig, nichts zu denken und den Kopf leer zu halten.
»Die blöden Bullen.« Er lachte erneut. »Hey«, sagte er mit einem Blick auf den runden Tisch, der zwischen Bett und Fenster stand. »Du hast dein Abendessen immer noch
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