Traeume Suess, Mein Maedchen
Laufband zu schlafwandeln schien. Jonathan Cartseris kämpfte mit dem Rudergerät, und Bonnie Jacobs, eine ältere Dame, bei der unlängst Osteoporose diagnostiziert worden war, stand vor dem Regal mit den Hanteln, als hätte sie keinen Schimmer, was sie hier machte. Nur Police Detective Jeff Dawson sah aus, als ob er hierher gehörte: Er lag auf dem Rücken, die Füße links und rechts neben der schmalen Bank auf dem Boden, die Oberschenkel unter seiner schwarzen Jogginghose angespannt, während er eine 200-Kilo-Hantel über seinem Kopf in die Luft stemmte. Lily ertappte sich gerade bei dem Gedanken, dass der Mann wirklich gut aussah,
als ihr auffiel, dass Bonnie Jacobs ihr zuwinkte. Lily winkte lächelnd zurück, aber die Frau winkte weiter und bedeutete ihr hereinzukommen. Lily rutschte von ihrem Hocker und eilte in den Trainingsraum, sorgfältig darauf bedacht, den unter dem Gewicht nun doch stöhnenden Detective nicht anzusehen. »Irgendwas nicht in Ordnung, Mrs. Jacobs?«
»Der Arzt sagt, ich soll mit Freihanteln trainieren, aber ich habe keine Ahnung, was ich machen soll.« Sie griff mit jeder Hand nach einem Zehn-Pfund-Gewicht und wäre beinahe in die Knie gesunken.
»Oh nein, Mrs. Jacobs, das ist viel zu schwer für Sie. Am Ende tun Sie sich noch weh. Warum fangen Sie nicht mit denen an?« Sie nahm zwei Zwei-Pfund-Hanteln aus dem Regal und reichte sie Mrs. Jacobs vorsichtig an.
»Ist das genug?«
»Mehr brauchen Sie nicht. Vertrauen Sie mir«, sagte Lily und fragte sich, warum Mrs. Jacobs ihr vertrauen sollte, warum irgendwer ihr vertrauen sollte. Sie zeigte ihr mehrere leichte Übungen für Bizeps und Trizeps, eine für die Brustmuskeln sowie mehrere für Rücken und Schultern. »Wenn Sie wollen, kann ich sie Ihnen aufschreiben«, bot sie an und kehrte so schnell wie möglich in den Empfangsbereich zurück.
Die nächste halbe Stunde verstrich ereignislos - sie begrüßte die Kunden, die ins Sportstudio kamen, und verabschiedete diejenigen, die mit dem Training fertig waren, ging ans Telefon, wusch eine Maschine Wäsche und startete eine zweite. Sie fragte sich, wie es Michael in der Schule ging, der in der Erzählstunde seine neue Kermit-Puppe vorstellen wollte. Sie fragte sich auch, wofür Jan Glück brauchte und ob sie versuchen sollte, noch eine Geschichte zu schreiben. Sie hatte jede Menge Ideen, obwohl die meisten ziemlich weit hergeholt waren. Dabei hieß es doch immer, man solle über das schreiben, was man kannte. Sie fragte sich,
ob sie das je könnte. Ob sie so mutig sein konnte? Oder so dumm?
Sie schüttelte den Kopf und blickte unwillkürlich zum Trainingsraum, als Jeff Dawson sich aufrichtete und rittlings auf die Bank hockte. Sofort wurde die Bank in ihrem Kopf zu einem Motorrad. Lily stockte der Atem, und sie schlug sich die Hand vor den Mund. Natürlich fuhr er Motorrad. Er war Polizist. Motorradfahren gehörte wahrscheinlich zu seinem Job. Sie wandte sich ab und weigerte sich, weiter darüber nachzudenken. Es war sowieso egal, da sie nicht die Absicht hatte, mit ihm auszugehen.
»Alles in Ordnung?«, fragte er plötzlich neben ihr.
Er bewegt sich elegant für einen so großen Mann, dachte sie. »Alles bestens. Warum fragen Sie?«
»Sie sehen ein bisschen blass aus. Wirklich alles okay?«
»Fahren Sie Motorrad?«, hörte sie sich fragen.
Falls ihn die Frage überraschte, ließ er sich nichts anmerken. »Nein. Nicht mehr, seit ich Kinder habe.«
Lily blickte nickend zum Telefon, als wollte sie es anflehen zu klingeln.
»Heißt das, dass Sie vielleicht noch mal darüber nachdenken, ob Sie morgen Abend mit mir ausgehen wollen?«, fragte er nach einer Pause.
»Ich kann nicht, es tut mir Leid«, sagte sie, als die Eingangstür aufging und ihre Nachbarin Emma Frost hereinkam. »Hi, Emma!«, sagte Lily und lächelte die Frau an, als wäre sie ihre beste Freundin. »Was machen Sie denn hier?«
»Ich dachte, ich schau mir mal an, wo Sie arbeiten, und überlege dann, ob ich Mitglied werde.« Mit ihren großen Augen musterte Emma unruhig das Terrain.
»Das ist super. Wir haben gerade ein spezielles Einführungsangebot. Nur zweihundertfünfzig Dollar Aufnahmegebühr plus dreißig Dollar pro Monat.«
»Zweihundertfünfzig Dollar?«, wiederholte Emma, während ihr Blick an Jeff Dawson hängen blieb.
»Verglichen mit anderen Studios in der Stadt ist das ein gutes Angebot«, stimmte Jeff ein.
»Und wer sind Sie?«
»Jeff Dawson. Gut angesehenes Mitglied.«
»Das kann ich mir
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