Traeume Suess, Mein Maedchen
Er dreht durch, dachte sie. Oder es war ein großer Lausbubenstreich. So oder so, sie musste ihn aufhalten, bevor das Ganze zu weit ging.
»Das ist mein Mädchen. Ich wusste, dass du’s dir noch anders überlegst.«
»Brad …«
»Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
»Brad, bitte. Komm zurück zum Wagen.«
»Ich gehe nirgendwo hin außer dort hinein.« Er zeigte auf das Haus.
Warum, wollte sie schreien. »Wie?«, fragte sie stattdessen. »Wie willst du ins Haus kommen? Wir haben keinen Schlüssel. Außerdem hat sie eine Alarmanlage.«
Diese neue Information ließ ihn kurz stutzen. »Du erinnerst dich doch bestimmt noch an den Code.«
»Wahrscheinlich hat sie ihn mittlerweile längst geändert.«
»Warum sollte sie? Sie hat schließlich nicht damit gerechnet, dass du je zurückkommen würdest.«
»Und wenn sie ihn trotzdem geändert hat? Was, wenn der Alarm losgeht?«
»Dann sehen wir zu, dass wir hier wegkommen.«
»Und wenn wir nicht schnell genug sind? Wenn wir erwischt werden?«
»So weit wird es schon nicht kommen«, sagte Brad zuversichtlich. »Los, komm, Jamie. Das wird ein Spaß.« Er nahm sie in die Arme, küsste sie mit einer Leidenschaft, die belebend und ansteckend war. »Wir tun ja keinem weh. Wir holen nur zurück, was rechtmäßig dir gehört. Sie wird nicht mal merken, dass wir da waren.«
»Brad, wenn du dich hören könntest. Du redest davon, in ein fremdes Haus einzubrechen. Du sprichst von der Möglichkeit, erwischt zu werden und ins Gefängnis zu wandern.«
»Komm schon, Jamie. Wo ist der freie Geist geblieben, in den ich mich verliebt habe?«
Die Frage nagte an Jamies Herzen. »Bitte, Brad. Das ist nicht richtig.«
»Glaubst du, was sie gemacht hat, war richtig?«
»Nein. Aber du kennst doch die Redensart, dass zwei Mal falsch nicht ein Mal richtig ergibt.«
Brad lachte. »Würde das deine Mutter sagen?«
Wütend dachte Jamie, dass er Recht hatte. Genau das würde ihre Mutter sagen.
»Und deine Schwester«, fügte er noch hinzu. »Ich dachte, du wärst anders als sie.«
»Bin ich auch.«
»Sieht so aus, als würde der Apfel doch nicht weit vom Stamm fallen.«
»Brad, das meine ich ernst.«
»Meinst du, ich nicht?«
»Ich glaube, du hast dir das alles nicht richtig überlegt.«
»Was soll ich mir überlegt haben?«
»Das Ganze«, sagte Jamie und beobachtete, wie sich das Lächeln langsam aus seinem Gesicht stahl und nur eine kalte, harte Maske im Mondlicht zurückließ. »Das ist kein Spiel.«
»Natürlich ist es das. Es ist ein Abenteuer.«
»Nein, ist es nicht. In ein fremdes Haus einzubrechen, ist eine Straftat.«
»Nur wenn man erwischt wird.« Der Hauch eines Lächelns schlich sich auf seine Miene zurück. »Und wir werden nicht erwischt. Versprochen. Bist du bereit?«
Jamie zögerte. Bist du bereit? Die Frage hatte sie ihr ganzes Leben lang gehört. War sie bereit? Und wofür genau? Wer war dieser Mann? Auf was hatte sie sich eingelassen?
»Du musst Vertrauen haben, Jamie. Du musst dich entscheiden - bist du die Tochter deiner Mutter oder die Frau, von der ich dachte, dass ich mich in sie verliebt habe?«
Die Frau, von der er dachte, dass er sich in sie verliebt hatte. »Brad, warte. Bitte …«
»Ich verlasse mich auf dich, Jamie.« Er durchquerte den Vorgarten. »Ich tu’s für dich, Baby«, rief er ihr zu.
Er ist der Teufel, Buddy, hörte sie den Radiomoderator sagen. Steig aus, solange du noch kannst.
Aber wie konnte sie ihn allein in das Haus gehen lassen? Er kannte den Code nicht und würde deshalb die Alarmanlage nicht abschalten können. Er würde erwischt werden und Jahre im Gefängnis sitzen. Und wofür? Weil er entschlossen war, ein Paar goldene Perlohrringe zu holen, die rechtmäßig ihr gehörten? Weil er eine große Show abzog und versuchte, sie zu beeindrucken? Weil sein Stolz es nicht zuließ, dass er nachgab?
Und wohin wollte sie ohne ihn gehen? Die Schlüssel ihres Wagens steckten in seiner Tasche, und sie hatte nicht vor, nachts um drei alleine durch Atlanta zu wandern. Sie konnte auch nicht einfach nur dastehen und auf seine Rückkehr warten. Sie hatte ihr Jurastudium vielleicht nicht abgeschlossen, wusste jedoch genug über das Gesetz, um zu wissen, dass man sie als Helfershelfer betrachten würde.
Bist du die Tochter deiner Mutter oder die Frau, von der ich dachte, dass ich mich in sie verliebt habe?
Ich bin sie. Ich bin die Frau, in die du dich verliebt hast.
Er ist der Teufel. Steig aus, solange du noch
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