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Trainspotting: Roman (German Edition)

Trainspotting: Roman (German Edition)

Titel: Trainspotting: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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genau auf diese Reaktion hatte er gehofft. Ermutigt versuchte er, weitere Punkte gutzumachen, indem er sich als der bescheidene Typ darstellte, der sich selbst nicht ernst nimmt, und fügte entschuldigend hinzu: – Ich wühl in anderer Leute Müll rum, suche nach Weggeworfenem und präsentiere es dann als authentische historische Artefakte des Alltags der arbeitenden Bevölkerung. Dann sorg ich dafür, daß sie nicht auseinanderfallen, wenn sie ausgestellt werden.
    – Da braucht man Köpfchen dafür, sagte der Vater zu Renton, sah dabei aber Dianne an. Renton konnte sie nicht ansehen. Es war ihm klar, daß dieses Weggucken aber noch mehr Verdacht erregte, aber er konnte sie einfach nicht ansehen.
    – Ach, würd ich nicht sagen, meinte Renton schulterzuckend.
    – Nein, aber Abschlüsse.
    – Na ja, ich hab an der Aberdeen University einen Abschluß in Geschichte gemacht. Das entsprach beinahe den Tatsachen. Er war auf die Aberdeen University gegangen und hatte sich leichtgetan, wurde allerdings mitten im ersten Jahr exmatrikuliert, weil er sein Stipendium für Drogen und Nutten verpulvert hatte. Er hatte das Gefühl gehabt, der erste Student in der Geschichte der Universität gewesen zu sein, der jemals eine Nicht-Studentin gevögelt hatte. Lieber Geschichte machen als Geschichte studieren, dachte er bei sich.
    – Ausbildung ist wichtig. Das erzählen wir ihr ständig, sagte der Vater und nutzte wieder mal die Gelegenheit, Dianne etwas zu beweisen. Renton gefiel diese Einstellung nicht, aber sich selber konnte er noch weniger leiden, weil er stillschweigend dabei mitspielte. Er kam sich vor wie ein perverser Onkel von Dianne.
    Gerade als er dachte: Bitte, laß sie ihr Abi machen, zerschlug Diannes Mutter diese Hoffnung auf Schadensbegrenzung.
    – Dianne macht nächstes Jahr ihren Hauptschulabschluß in Geschichte, sagte sie lächelnd, – und in Französisch, Englisch, Mathe und Arithmetik, fügte sie stolz hinzu.
    Zum wiederholten Mal zuckte Renton innerlich zusammen.
    – Das interessiert Mark doch nicht, sagte Dianne in dem Versuch, überlegen und erwachsen zu klingen, herablassend zu ihren Eltern, wie das Kinder, die keine Macht haben und zum Thema der Unterhaltung werden, nun mal tun. So wie er, erinnerte sich Renton schaudernd, es selbst oft genug getan hatte, wenn seine Alten davon anfingen. Das Problem war nur, daß Dianne so mürrisch, so sehr wie ein Kind klang, daß sie das Gegenteil von dem erreichte, was sie eigentlich wollte.
    Rentons Verstand machte Überstunden. Unzucht mit Minderjährigen nennt man sowas. Dafür kannste in den Knast wandern. Aber hallo, und den Schlüssel schmeißen se weg. Als Sexualtäter gebrandmarkt; da krieg ich in Saughton doch täglich die Fresse zerschlitzt. Sexualtäter. Kinderschänder. Kifi. Er konnte schon die Psycho-Knackis hören, Ärsche wie Begbie, stellte er sich vor: – Hab gehört, die Kleine war erst sechs. – Die ham mir gesagt, s war Vergewaltigung. – Hätte dein Kind sein können, oder meins. Scheiße, dachte Renton, und es schauderte ihn.
    Der Speck, den er aß, widerte ihn an. Er war seit Jahren Vegetarier. Das hatte nichts mit Politik oder Moral zu tun. Er fand den Geschmack von Fleisch einfach nur widerlich. Aber er sagte nichts, so sehr bemühte er sich, einen guten Eindruck bei Diannes Eltern zu machen. Bei der Wurst hörte es für ihn allerdings auf, weil er glaubte, daß die Dinger voller Gift waren. Er dachte an all die Drogen, die er genommen hatte, und dachte hämisch bei sich: Du mußt darauf achten, was du in dich hineinstopfst. Er fragte sich, ob Dianne das gefallen würde, und seine Nerven waren so überreizt, daß er unbeherrscht über sein eigenes, abscheuliches Wortspiel kichern mußte.
    Müde versuchte er, es durch Kopfschütteln zu kaschieren und begann, eine Geschichte zu erzählen, besser gesagt, zu wiederholen. – Gott, bin ich blöd. Ich war gestern nacht vielleicht in einem Zustand. Ich bin Alkohol eigentlich nicht gewohnt. Aber ich finde, man ist nur einmal im Leben einundzwanzig.
    Diannes Eltern schauten bei der letzten Bemerkung so wenig überzeugt wie Renton selbst. Er war fünfundzwanzig und ging stramm auf die vierzig zu. Trotzdem hörten sie ihm höflich zu. – Ich hab meine Jacke und die Schlüssel verloren, wie schon gesagt. Gott sei Dank hat Dianne mir geholfen, und jetzt auch noch Sie. Es ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, daß ich die Nacht bleiben durfte und Sie mir so ein nettes Frühstück gemacht haben.

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