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Trainspotting: Roman (German Edition)

Trainspotting: Roman (German Edition)

Titel: Trainspotting: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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die mein selbstzerstörerisches Verhalten speist, wobei sich dieses Verhalten in meinem Mißbrauch harter Drogen manifestiert.
    Ein typisches Gespräch:
    Dr. Forbes: Sie haben Ihren Bruder erwähnt, den mit der, ähm, Behinderung. Den, der gestorben ist. Sollen wir über ihn reden?
    (Pause)
    Ich: Wozu?
    (Pause)
    Dr. Forbes: Sie wollen nicht über Ihren Bruder reden?
    Ich: Nee. Ich seh halt nich, was das mit meiner Heroinsucht zu tun haben soll.
    Dr. Forbes: Mir scheint, Sie haben etwa um die Zeit, als Ihr Bruder gestorben ist, angefangen, intensiv Drogen zu nehmen.
    Ich: In der Zeit is n Haufen Scheiß gelaufen. Ich bin mir echt nich sicher, wie wichtig das is, den Tod meines Bruders da isoliert zu betrachten. Damals bin ich nach Aberdeen an die Uni. Ich habs gehaßt dort. Dann hab ich auf den Kanalfähren angefangen, nach Holland. Da kommt man an jeden Stoff, den man nur will.
    (Pause)
    Dr. Forbes: Ich möchte nochmal auf Aberdeen zurückkommen. Sie sagten, Sie haben Aberdeen gehaßt?
    Ich: Ja.
    Dr. Forbes: Was an Aberdeen haben Sie gehaßt?
    Ich: Die Universität. Die Lehrer, die Studenten, alles, ich fand, daß das alles langweilige Spießerärsche sind.
    Dr. Forbes: Ich verstehe. Sie waren nicht in der Lage, dort in Beziehung zu Leuten zu treten.
    Ich: Na ja, in der Lage schon, aber ich wollte nich, obwohl, das kommt ja für Ihre Zwecke aufs selbe raus (unverbindliches Schulterzucken von Dr. Forbes)… ich hatte einfach kein Interesse an den Ärschen da.
    (Pause)
    Also, ich hab da wirklich keinen Sinn drin gesehen. Ich wußte ja, daß ich sowieso nich lange bleib. Wenn ich was labern wollte, bin ich ins Pub. Wenn ich vögeln wollt, bin ich zu ner Nutte.
    Dr. Forbes: Sie waren bei Prostituierten?
    Ich: Ja.
    Dr. Forbes: Weil Ihnen das Selbstvertrauen fehlte, soziale und sexuelle Beziehungen zu Frauen an der Universität eingehen zu können?
    Ich: Nee, n paar Weiber hab ich schon kennengelernt.
    Dr. Forbes: Und was geschah dann?
    Ich: Ich war bloß an Sex interessiert, nich an ner Beziehung. Ich hatte auch nich die Motivation, das zu verschleiern. Ich hab die Frauen bloß als Mittel gesehen, meine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Dann fand ich, daß es einfach ehrlicher war, zu ner Nutte zu gehen, als Spielchen zu spielen. Damals war ich n ziemlich moralisches Arschloch. Also hab ich mein Stipendium für Nutten verplempert und Essen und Bücher geklaut. So hat das mit der Klauerei angefangen. Das lag nich so sehr am Stoff, aber geholfen hat der sicher auch nich.
    Dr. Forbes: Hmm. Kommen wir auf Ihren Bruder zurück, den mit der Behinderung. Wie war das für Sie?
    Ich: Ich weiß nich genau… hören Sie, der Typ war einfach weg. Der war gar nich da. Völlig gelähmt. Hockte bloß da auf seinem Stuhl und hatte den Kopf auf der Seite. Er konnte bloß blinzeln und schlucken. Manchmal hat er so leise Töne von sich gegeben… er war eher n Gegenstand, keine Person.
    (Pause)
    Ich glaub, als ich kleiner war, hab ich ihn verachtet. Ich mein, meine Ma hat ihn im Kinderwagen rumgefahren. Son großer Riesenkerl in nem beschissenen Kinderwagen. Deshalb ham se uns doch ausgelacht, meinen großer Bruder Billy und mich. Wir mußten uns anhören: »Dein Bruder isn Spasti« oder »Dein Bruder isn Zombi« und so Scheiß. Das warn bloß Kinder, ich weiß, aber damals kam mir das nich so vor. Weil ich als kleiner Junge groß und schlaksig war, hab ich geglaubt, daß mit mir was nich stimmte, daß ich irgendwie wie Davie war…
    (Lange Pause)
    Dr. Forbes: Also haben Sie Ressentiments gegen Ihren Bruder gehegt.
    Ich: Ja. Als kleiner Junge halt. Dann kam er ins Krankenhaus. Und da war das Problem dann irgendwie weg. Aus den Augen, aus dem Sinn. Ich hab ihn n paarmal besucht, aber irgendwie hatte das keinen Sinn. Es kam ja keine Reaktion, verstehen Sie? Irgendwie hab ich das halt als hartes Schicksal angesehen. Der arme Davie hat das beschissenste Blatt gekriegt, das es gibt. Verdammt traurig, aber da kann man ja nich den Rest seines Lebens drüber heulen. Das war schon das Beste für ihn, da war gut für ihn gesorgt. Als er starb, hatt ich Schuldgefühle, weil ich ihn verachtet hab und weil ich mich vielleicht nicht genug angestrengt hab. Aber was solls?
    (Pause)
    Dr. Forbes: Haben Sie schon früher über diese Gefühle gesprochen?
    Ich: Nee… na ja, vielleicht hab ich das mal meinen Eltern gegenüber erwähnt…
    So lief das immer. N Haufen Themen, die angesprochen wurden; manche belanglos, manche heavy, manche langweilig, manche

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