Trattoria Finale
Beauregard sagte nichts mehr, sein Kopf war erst zur Seite gerissen worden und dann auf die Brust gesunken. Jacques sah auf die blutige Klinge des Rasiermessers, die durch die Kehle des Opfers gefahren war. »Siehst du, jetzt hab ich ihn doch getötet«, sagte er. Ettore untersuchte den Toten und stellte fest: »So kann man das nicht sagen. Meine Kugel ist ihm durch das eine Ohr rein und aus dem anderen wieder raus. Schau an die Wand, da ist was mitgenommen worden. Ein bisschen was scheint der Kerl durchaus im Kopf gehabt zu haben.«
Jacques betrachtete die Spuren am zerschossenen Spiegel, dann meinte er: »Wir müssen uns schnell einig werden. Hier werden gleich Miliz und SS auftauchen. Lass uns die Kasse mitnehmen und schleunigst durch den Hintereingang verschwinden, dann können wir das abschließend klären.«
»Dann haben Sie also Ihren ersten Mord unfreiwillig gemeinsam ausgeführt«, stellte Rachel fest. »Wie sind Sie denn dann mit Ihren illustren Auftraggebern umgegangen?«
Ettore schmunzelte. »Liebe Rachel, als studierte Historikerin und Politologin werden Sie sicher voll auf Ihre Kosten kommen. Mir ist klar, dass Sie einige unserer Auftraggeber aus Ihren Vorlesungen kennen dürften. Dann hören Sie weiter, wie Jacques und ich diese Sache weitergeführt haben. Wir haben natürlich gleich gemerkt, dass wir trotz unserer Jugend beide Männer von Ehre waren, und zum verabredeten Zeitpunkt war ich wieder im
Le Doute
, um das restliche Honorar einzustreichen. Aber vorher war Jacques bereits da gewesen und hatte für die Herrschaften jene besagte Tajine Parisienne zubereitet, die sodann als Aufmerksamkeit des Hauses ins Hinterzimmer serviert wurde.«
Ettore trat in den Raum. Obwohl offensichtlich gerade gegessen worden war, waberten dicke Rauchschwaden durch die Luft. Alle Anwesenden rauchten. Mordrel, der Literat, der sich zurzeit auch Otto Mohr nannte, aß noch, während er eine schwelende Zigarette im Mundwinkel hängen hatte. Ettore spürte Verachtung in ihm aufsteigen. Was für Kretins diese Franzosen doch sein konnten, während des Essens eines so feinen Gerichts zu rauchen! Aber es waren ja auch Kollaborateure, amis des boches. Ettore sah in den Topf, der in der Mitte des Tisches stand, und nahm zufrieden wahr, dass er fast vollends leer geschöpft worden war. Insbesondere von den delikaten Beinscheiben hatten die Männer nichts übrig gelassen.
»Freut mich, dass Ihnen die kleine kulinarische Aufmerksamkeit zugesagt hat«, meinte er.
Philippe Henriot antwortete: »Sehr gut, wirklich. Sie scheinen ein Mann mit vielen Talenten zu sein. Und Sie machen keine halben Sachen. Dem Beauregard sowohl die Kehle durchzuschneiden als auch eine Kugel durch den Kopf zu jagen! Und auch die Idee, den Raubmord vorzutäuschen, hat uns gut gefallen. Chapeau!« Er überreichte Ettore einen Umschlag. Diesmal öffnete dieser das Kuvert und zählte kurz nach. Dann nickte er zustimmend und sagte, sich schon wieder Richtung Ausgang orientierend: »Meine Herren, es wird mir immer eine besondere Erinnerung bleiben, mit einigen der französischsten Führungskräfte Frankreichs zusammengearbeitet zu haben. Man sollte immer die Opfer verinnerlichen, die man für seine Sache bringt.«
Mit diesen Worten, die keiner der Anwesenden so recht verstand, verließ er die Runde. Draußen wartete Jacques Assaraf auf ihn. »Und?«, fragte dieser. »Hat den werten Auftraggebern der Monsieur Beauregard gemundet?«
Ettore nickte grinsend. »Die Beinscheiben waren eine hervorragende Wahl. Nichts haben sie übrig gelassen davon. Fast könnte ich neidisch werden, selber nicht gekostet zu haben.« Er gab Jacques den Geldumschlag. »Das halbe Honorar. Es steht dir zu, nimm es ohne Murren.«
»Du bist ein Mann von Ehre, Ettore Violenza«, entgegnete Jacques und steckte das Kuvert ein. »Vielleicht sieht man sich?«
»Das mag gut sein«, meinte Ettore. »Es wäre mir ein Vergnügen, vielleicht wieder einmal mit dir zu arbeiten – und zu kochen.«
»Onkel Ettore, ich hab das mit dem Opfer verinnerlichen aber auch nicht verstanden«, meinte Mario und fummelte angestrengt an seinem Feuerzeug herum.
»Boy«, sagte der einsilbige Stan kopfschüttelnd.
»Mensch Zippo!« Ugo Ferrero tippte einen seiner gewaltigen Wurstfinger an die Schläfe. »Die Beinscheiben! Von wem waren die wohl, häh?«
Zippo Violenza glotzte Ugo an, sah auf seinen Teller mit der Tajine, von der er tüchtig genossen hatte, und dann nachdenklich und stumm auf sein
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