Trattoria Finale
Sizilien, größeres später auf dem Festland. Der Duce agierte im Krieg so herrlich dilettantisch, dass es Italien zwar an den Rand der Vernichtung brachte, aber die Achse Berlin-Rom-Tokio war ein guter Arbeitgeber. Mein Papa hatte mir das Töten beigebracht, meine Mama ein paar Sprachen und die Schläue, überall durchzukommen. Daher entdeckte ich bald, dass die alliierte Gegenseite höhere Erfolgsaussichten und viel mehr Geld hatte. So arbeitete ich für beide Seiten und kam gegen Ende des Krieges nach Paris, wo ich Jacques kennenlernte. Das kennt ihr ja schon. Fünfundvierzig saßen wir beide in einer Zelle, irgendwo in Paris. Wir hatten Glück, dass die Amis uns für so seltsame Vögel hielten, dass wir in keines der großen Lager kamen. Denen war schon klar, dass wir weder französische Freiheitskämpfer noch Faschisten waren. Und es war der gute Onkel Chaim, der die Jungs vom CIA auf die Spur setzte. Oder Jacques? Erzähl du das, Chaim war dein Onkel!«
»Und was für einer«, grinste Jacques. »Chaim war ein begnadeter Koch, aber bekannt war er für seine hervorragenden Kontakte zu internationalen Verbrecherkreisen. Also kannte er ein paar Jungs beim CIA – damals nannten die sich noch OSS – ganz gut. Entschuldigen Sie bitte, Miss Rachel, aber Sie werden Ihren Auftraggeber ebenfalls kennen, hihi. Wie dem auch sei, nachdem Chaim meinen Aufenthaltsort ermittelt und mit zwei, drei Leuten gesprochen hatte, waren unsere Tage in Paris gezählt. Aber wir haben immerhin genug Zeit in einer kleinen Zelle verbracht, um uns recht gut kennenzulernen, nicht wahr, Motek?«
»Wenn du es sagst, mein Schatz«, lächelte Ettore. »Davon wollen aber unsere Gästinnen und Gäste bestimmt nichts hören, oder?«
»Vielen Dank, so ist es!«, bekräftigte Ornella Pellegrino stellvertretend für die übrigen Anwesenden, die das überwiegend ganz ähnlich sahen, wenn auch aus eher anderen Motiven.
»Also gut, dann jetzt mal weiter«, meinte Ettore. »Da saßen wir also in dieser Zelle und wussten noch gar nicht recht, dass dies der Beginn einer langen gemeinsamen Laufbahn war.«
Laut knirschte der Schlüssel im Schloss, bevor sich die Türe mit einem metallischen Quietschen öffnete.
»Guten Morgen, Jungs!« Sergeant Baker zeigte sein beeindruckend breites Mondgesicht und grinste. »Habt ihr euch auch gewaschen? Der Chef persönlich will euch sprechen.«
Ettore und Jacques erhoben sich von ihren Pritschen. Es war noch keine neun Uhr am Morgen, und natürlich hatten sie sich nicht gewaschen. Dennoch folgten sie dem GI, begleitet von einem weiteren bewaffneten Wärter, durch die Gänge der Pariser Polizeistation, wo man sie seit Wochen festhielt. Sie wurden in das Büro des Kommandanten geleitet, der sie hinter seinem Schreibtisch erwartete und erst ansprach, als der Sergeant den beiden bedeutet hatte, sich zu setzen.
Major Bob Ritter war ein eher kleiner, schmächtiger Mann, der hinter der Uniform mit den diversen Abzeichen, die daran geheftet waren, fast unsichtbar war. Seine Stimme war dagegen von einem gewaltigen Bass, der so gar nicht zu dieser Erscheinung passen mochte. »So, Sie sind also die Inhaftierten Nummer dreizehn und vierzehn. Angeblich heißen Sie – ach, sagen Sie das doch diesem freundlichen Herrn hier selbst!«
Ein schlanker Mann in Zivil trat aus einer Ecke des Raumes hervor und setzte sich lässig auf den Rand des Schreibtisches. Unter dem militärisch kurzen Haarschnitt, der einen Blick auf hoch angesetzte Geheimratsecken eröffnete, verlief in verträumt weichen Konturen ein ernstes, fast melancholisches Gesicht. Sowohl Jacques als auch Ettore betrachteten den Mann mit unverhohlenem Interesse. Sie spürten sofort, dass dieser Mensch so ganz und gar nichts gemein hatte mit den Militärs und Geheimdienstlern, von denen sie in den letzten Wochen befragt worden waren.
»Also?«
Die Stimme war weich und hatte doch einen fordernden Klang. Nach einer Pause, in der niemand etwas sagte, wiederholte der Mann seine Frage. »Also? Möchten Sie mir Ihre Namen nicht verraten? Ihre echten Namen bitte.«
»Gerne«, antwortete Jacques. »Mein Name ist, wie ich auch schon mehrfach hier zu Protokoll gegeben habe, Jacques Assaraf.«
»Ich bin Ettore Violenza«, fügte Ettore hinzu.
In der Tat hatten sie es nicht für nötig gehalten, ihre Identität zu verschleiern.
»Vielen Dank«, antwortete ihr Gegenüber. »Vermutlich stimmt das. Deswegen stelle ich mich Ihnen auch gerne vor. Mein Name ist Mann. Klaus
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