Trattoria Finale
Mann.«
»Der Schriftsteller?«, fragte Jacques.
Mann verzog leicht einen Mundwinkel. »Sie verwechseln mich vermutlich mit meinem Vater, Thomas Mann.«
»Nicht doch«, entgegnete Jacques. »Ihr Vater ist doch viel älter und mir sehr wohl bekannt. Sie haben diesen seltsamen Roman
Treffpunkt im Unendlichen
geschrieben, nicht wahr?«
Mann zog die Augenbrauen in Richtung seines Haaransatzes. »Sie haben das gelesen?« Seine Stimme klang zweifelnd. Dann begann er zu lächeln und meinte: »Ich war zu recht neugierig auf Sie. Was machen ein marokkanischer Jude und ein Sizilianer, die sich aufs Englische, Französische, Deutsche, Niederländische und Italienische verstehen, hier in einem Pariser Militärgefängnis?«
»Ich muss Ihnen widersprechen«, sagte Jacques. »Italienisch und Niederländisch habe ich, zumal in wenigen Brocken, erst von diesem meinem Zellengenossen gelernt.«
»Niederländisch und Deutsch hat meine Mama mir beigebracht«, fügte Ettore hinzu, der das seltsame Gefühl hatte, mit diesem Mann offen sprechen zu können. Dieser nickte nachdenklich und schien plötzlich unendlich weit entfernt, als er sagte: »Ja, wir leben in seltsamen Zeiten, die uns alle töten werden, auf die eine oder andere Art. Aber wenn jemand überlebt, dann sind Sie es, meine Herren. Was immer Sie nun im Weiteren unternehmen werden, ich kann nichts damit zu tun haben. Alles Gute für Sie.«
Klaus Mann stand auf und verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzudrehen oder jemanden anzusehen.
»Sie haben wirklich Klaus Mann getroffen?« Rachel war beeindruckt. Jacques lächelte. »Sie wissen sicher, dass Mann im Krieg für den amerikanischen Geheimdienst OSS gearbeitet hat. Leider hat er sich wenig später das Leben genommen. Wir hätten ihn gerne noch einmal wiedergesehen. Hat nicht sollen sein.«
»Und, wie ging das dann weiter?«, fragte Giuseppe Chiudi. »Was hatten die Amis mit euch vor?«
»Gemach, Signore cronista, gemach«, grinste Ettore. »Es geht ja schon weiter. Ich erzähle jetzt, wie wir von Paris nach Bonn gelangten und wie es zu Jacques leckeren
Involtini marrone
kam.«
»Okay«, brummte Major Bob Ritter in tiefstem Bass. »Mister Mann hat offensichtlich nichts gegen euch einzuwenden. Da die United States Army aber eine Menge gegen euch einzuwenden hat, gibt es keinen einfachen Weg hier heraus.«
Er machte eine Pause, wohl um festzustellen, ob seine Worte eine gewisse Wirkung bei den beiden Häftlingen erzielten. Abgesehen von neugierigem Schweigen, verbunden mit einem dümmlichen Gesichtsausdruck, konnte er jedoch nichts dergleichen feststellen. Deshalb fuhr er fort: »Vielleicht habt ihr ja mitbekommen, dass Hitler fast vollständig besiegt ist. Er sitzt in seinem Führerbunker und wartet immer noch auf den Endsieg. Wir dagegen sind schon in vielen deutschen Städten dabei, die Verwaltung neu zu organisieren. Ich weiß nicht, was ihr beiden wirklich für Vögel seid. Aber jedenfalls keine Nazis. Und ich will euch loswerden. Mal ’ne Frage: Kennt ihr Köln?«
Ettore nickte. »Im Westen von Deutschland. Große Stadt am Rhein. Da gibt es eine berühmte Kirche und ein etwas seltsames Bier.«
»Mag sein«, brummte der Major, der sich als Amerikaner weder mit Domen noch mit Bier besonders gut auskannte. »Jedenfalls gibt es da in der Nähe ein Dorf namens Bonn, wo wir ein Problem haben.«
»Ein Problem?«
»Ja. Da gibt es einen Nazi-Bürgermeister namens Rickert, der in Haft ist. Und die Briten haben einen Nachfolger im Visier, der aus Sicht des OSS aber auch ein Nazi ist.«
»Dann nehmt ihn halt nicht. Es wird doch noch andere Kandidaten geben. Nicht alle Deutschen sind Verbrecher.«
»Ach!« Bob Ritter winkte ab. »Mag schon sein. Wir hätten da auch schon einen. Eduard Spoelgen. Guter Mann, von den Nazis kaltgestellt. Dummerweise haben sich die Engländer bis jetzt noch nicht so ganz für ihn erwärmen können. Vielleicht weil sie seinen Namen nicht richtig aussprechen können. Die wollen einen Kerl namens Bruno Stroger. Der hat eine weiße Weste, aber das OSS weiß, dass er ein verdammter Kriegsverbrecher ist. But shit, wir haben keine Beweise.«
»Ihr wisst es, aber habt keine Beweise?« Ettore grinste.
»Ja, verdammt«, knurrte Ritter. »Keine Ahnung von Geheimdienstarbeit, was? Jedenfalls sollt ihr dem Stroger auf den Zahn fühlen und ihn, falls wir recht haben, liquidieren. Aber es kommt nicht von uns, klar?«
»Warum macht das keiner von euch?«
»Weil’s ein Drecksjob ist. Außerdem
Weitere Kostenlose Bücher