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Trattoria Finale

Trattoria Finale

Titel: Trattoria Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick P. Panahandeh
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sprach leise weiter: »Ich habe einen Kontakt beim Office of Strategic Services, der hat etwas für uns in Bonn hinterlegen lassen. Ich kann doch zwei so blutige Anfänger nicht hier alleine herumwerkeln lassen. Hat man ja in Paris gesehen, wo das endet, hehe.«

    »Nein, wie gut«, meinte Mario Violenza und schnippte wie immer mit seinem Feuerzeug herum. »Das ist mal ein famoser Onkel! Kommt in die Kriegstrümmer, um euch zu helfen. Nicht, dass ich nicht auch einen tollen Onkel hätte, also …«
    »Lass gut sein, Zippo«, versetzte Ettore. »Sieh du nur zu, dass du nicht schon wieder den Tisch in Brand setzt. Jedenfalls kann ich dir zustimmen. Chaim war famos. Und er führte uns an jenem Tage ganz zielsicher und selbstverständlich durch das zerbombte Bonn zu einem Versteck, als wenn er schon sein ganzes Leben in dieser Stadt verbracht hätte.«

    Es war schon dunkel, als die drei Männer vor einem Schutthaufen anhielten, der einmal ein Haus gewesen war. Onkel Chaim wies auf ein kaum sichtbares, mit angekohlten zerbrochenen Klinkersteinen verdecktes Kellerfenster. »Hier müssen wir rein.« Und mit einem verschmitzten Lächeln, auf seinen Bauch weisend, fügte er hinzu: »Besser gesagt, ein schlanker junger biegsamer Mensch sollte da hinein. Mein schlanker Sizilianer, wie sieht es aus?«
    »Duster«, grinste Ettore und begann, sich in die Öffnung zu zwängen. Als er schon im Dunkel verschwunden war, klang seine Stimme dumpf an die Oberfläche: »Wonach soll ich eigentlich suchen?«
    »Wenn du unter dem Fenster stehst, geh zwei Schritte nach links«, antwortete Chaim. »Dann bück dich und greife nach einem Paket, das am Boden liegt, direkt an der Wand.«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Ettore, nach einigem Grummeln, Fluchen und Scharren meldete: »Hier hab ich was. Fühlt sich schwer an.«
    »Reiche es heraus«, sagte Chaim und langte in die Öffnung.
    Jacques schaute sich derweil in alle Richtungen um. Niemand störte die Männer bei ihrem Unterfangen. Chaim nahm das Bündel entgegen und verbarg es sofort unter seinem Mantel. Er wartete, bis Ettore sich wieder aus dem Keller herausgewunden hatte, und flüsterte: »So, jetzt müssen wir sehen, dass wir schnell von der Straße – oder was man zurzeit in einer deutschen Stadt Straße nennt – wegkommen, nach Anbruch der Dunkelheit sollten wir uns nicht aufgreifen lassen, erst recht nicht mit zwei Pistolen aus SS-Beständen. Folgt mir!«
    Chaim ging flotten Schritts voran. An einem Haus, das einen intakten Kellereingang aufwies, stoppte er. »Hier herein vielleicht. Mag unser sizilianischer Held vorgehen und schauen, ob die Luft da drinnen rein ist?«
    Ettore nickte und schlich sich vorsichtig die Treppe hinunter. Leise knarrte die Tür, die schief in einer Angel hing, als er sie aufschob und sich durch den Eingang zwängte. Konzentriert lauschte er ins Dunkel hinein. Ein leises Geräusch, das ihm wie ein unterdrücktes Wimmern oder Weinen vorkam, ließ ihn alle Muskeln anspannen. Das war auch nötig, denn ein zischendes Geräusch zeigte ihm an, dass es ratsam war, sich wegzuducken und blitzschnell den Arm des Angreifers zu packen, der sich von der Seite genähert hatte. Eisern hielt er fest, drehte den Arm, bis der Schatten neben ihm mit einem Stöhnen in die Knie ging. Etwas Metallenes schepperte auf den Boden. Chaim und Jacques stießen hinzu. Ein Streichholz wurde entzündet, und Ettore sah in das schmutzige, von Schmutz und Schmerz verzerrte Gesicht einer jungen Frau. Die Haare hingen wirr in ihrer Stirn. Das flackernde Licht erlaubte den dreien einen Blick in den Raum. Ein paar Meter entfernt saß ein Kind, vielleicht zwei oder höchstens drei Jahre alt, und beobachtete die Szene aus angstgeweiteten Augen.
    Chaim hob den Klappspaten auf und prüfte das Blatt. Er pfiff leise durch die Zähne. »Ganz schön scharf. Da wäre der Kopf aber fast ab gewesen.« Er grinste Ettore an, der die Frau losließ und sie sanft vom Boden aufhob.
    Chaim sprach die Frau an: »Mädchen, ist das dein Haus?« Sie nickte stumm. Er wies auf das Kind. »Gibt es einen Vater dazu?« Sie nickte wieder.
    »Wo ist er?«
    »Stalingrad.«
    Chaim seufzte. »Wenn er so stark und mutig ist wie seine Frau, und wenn er ein wenig Glück hat, dann kommt er zurück.« Er zog etwas aus seiner Manteltasche und gab es ihr. »Das ist Scho-Ka-Kola. Gibt euch ein bisschen Energie.«
    Zögernd nahm sie die Dose. Chaim lächelte und fragte: »Wie heißt du?«
    »Marianne.« Dann fügte sie hinzu:

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