Trattoria Finale
»Danke.«
»Gerne, Marianne. Ich bin Chaim.« Er lächelte und sagte dann noch: »Ja, schau nur groß, es gibt noch ein paar von uns.«
Sie antwortete nicht darauf, sondern zeigte auf ihr Kind. »Michael.«
Chaim entzündete ein weiteres Streichholz, fand eine Petroleumlampe, in der sogar etwas Brennstoff war, und machte Licht. Ettore verbeugte sich und stellte sich vor: »Ettore Violenza. Habe ich dir wehgetan?«
Sie schüttelte den Kopf. Jacques nannte ebenfalls seinen Namen und fragte dann: »Können wir vielleicht eine kurze Zeit in deinem Haus verweilen?«
Sie ging zu ihrem Sohn, nahm ihn auf den Arm und antwortete: »Wenn ich das nicht will, geht ihr dann wieder?«
»Natürlich tun wir das«, sagte Chaim und wandte sich zum Ausgang.
»Nein«, sagte sie schnell. »Ihr könnt bleiben, wenn ihr wollt. Es herrscht Ausgangssperre.«
»Vielen Dank. Wir drei haben etwas zu besprechen. Stört euch nicht weiter an uns. Kann man nach oben ins Haus gehen?«
Marianne zuckte mit den Schultern. »Alles ziemlich kaputt und einsturzgefährdet. Bleibt lieber hier unten. Ich gehe nach nebenan, da habe ich uns ein Schlafzimmer eingerichtet.«
»Das ist sehr freundlich«, sagte Jacques. »Gut, dass Ettore so reaktionsschnell ist.«
Es sah im schwachen Schein der Petroleumlampe so aus, als würde die Frau erröten. Ettore winkte ab und meinte: »Wir sind hier eingedrungen, schon in Ordnung. Das nächste Mal musst du aber noch etwas leiser und vor allem schneller sein.«
Chaim meinte: »Lässt du uns das Licht ein paar Minuten hier? Wir müssen uns etwas anschauen.«
Marianne nickte und verließ mit ihrem Sohn auf dem Arm den Raum. Als sie weg war, öffnete Chaim das Bündel und legte den Inhalt neben der Lampe auf den Boden. Ettore und Jacques sahen zwei Pistolen und eine Reihe von Magazinstreifen.
Chaim sagte: »Das sind Mauser C96, die im Besitz zweier ruch- und glückloser Herren der 10. SS-Panzer-Division waren. Magazinkasten liegt vor dem Abzug, der Ladestreifen hat zehn Patronen und wird von oben eingeführt. Es ist wichtig, dass ihr diese Waffen verwendet. Habe gehört, die Amis haben neue Untersuchungsverfahren entwickelt, um die Herkunft von Schusswaffen genau bestimmen zu können. Das Handwerk wird also nicht einfacher. Zukünftig werdet ihr immer aufpassen müssen, welche Waffen ihr benutzt. Nichts darf auf euch hinweisen. Vielleicht wird es mal so sein, als würden eure Namen auf den Kugeln stehen, hehe.«
»Was du alles weißt, Onkel Chaim«, wunderte sich Jacques.
»Jaja«, grinste Chaim. »Und ich hab gehört, du hast eure Zielperson in Paris kulinarisch verarbeitet. Falls ihr das hier auch tun wollt, denkt dran: Alle Nazis sind Schweine, also wird das sicher nicht koscher.«
Jacques lachte. »Macht doch nix. Wir essen das sowieso nicht.«
»Na, dann ist es ja gut. Man hat da bösartige Gerüchte gehört.« Chaim schüttelte den Kopf, und die drei Männer schwiegen. Es wurde ganz ruhig im Haus. Auch von draußen kam kein Geräusch. In der Stille hörten sie, wie Marianne nebenan ihrem Michael ein Schlaflied sang.
»War denn ganz Bonn so total zerstört?«, fragte Rachel. »Ich dachte, es wäre einiges der alten Bausubstanz erhalten geblieben?«
Ettore nickte zustimmend. »Die Stadt sah schon ziemlich verwüstet aus, aber manche Häuser waren noch intakt. In einem solchen trafen wir dann auch den Bruno Stroger. Rickert hatte das aus dem Knast heraus eingestielt, nachdem wir ihn überzeugen konnten, etwas für die braune Sache tun zu können. Pikanterweise war dieses nahezu unzerstörte Haus ein Puff. Ich meine, es war ja klar, dass die wichtigsten Institutionen zuerst ein warmes trockenes Heim erhalten mussten. Und jenes Gewerbe hatte und hat in Bonn an der Immenburg eine lange Tradition. Stroger war regelmäßig da, wie auch einige alliierte Offiziere. Wir hatten uns dort mit ihm verabredet, sein Tod war ausgemachte Sache. Es lief dann allerdings alles etwas anders als geplant.«
»Na, ihr zwei Liebelein.« Die Begrüßung war einfach und verständlich. Ettore und Jacques waren keineswegs auf Anhieb als schwules Paar zu erkennen, doch wenn jemand ein Auge für so etwas hatte, dann eine Frau, die ihr halbes Leben damit zugebracht hatte, Liebesdienste an Männern aller Couleur zu verrichten. Die füllige Bardame lächelte wissend. »Was kann man euch denn hier Gutes tun?«
Jacques sinnierte in das wogende Dekolleté und antwortete: »Da würden dir sicherlich eine Menge Dinge einfallen.
Weitere Kostenlose Bücher