Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
wer außer ihm könnte noch solche Bilder haben?«
»Dieses Schwein«, schnaubte Gabrielle aufgebracht. »Er hat im Knast wohl nicht das Geringste dazugelernt. Er unterschätzt dich immer noch. Soll ich dich gleich zur Polizei fahren?« Gabrielle konnte es kaum erwarten, diesen elenden Mistkerl wieder ins Kittchen zu bringen.
Doch Sharon schüttelte den Kopf. »Bist du verrückt? Weißt du, wie sich das auf Richards Wahlkampf auswirken könnte?« Sie schauderte allein schon bei der Vorstellung. »Wir leben in einer konservativen Kleinstadt. Diese Angelegenheit wurde damals nur deshalb kein riesiger Skandal, weil Tony die Sache vor Gericht heruntergespielt und auf Strafmilderung plädiert hat.«
»Wiederholungstäter werden umgehend wieder ins Gefängnis gesteckt.« Gabrielle war damals sehr stolz auf ihre Freundin gewesen, weil sie den Mut gehabt hatte, ihre Eltern einzuweihen und Anzeige zu erstatten.
Doch der Vorfall hatte sie nachhaltig verändert. Die selbstbewusste, quirlige, kontaktfreudige Sharon war lange nur ein Schatten ihrer selbst gewesen, und Gabrielle hatte ihr in unzähligen schlaflosen Nächten beigestanden. Erst Richard Stern war es mit viel Liebe und Geduld gelungen, die alte Sharon wieder hervorzulocken, die gestern nach dem Vortrag so mutig für Gabrielle in die Bresche gesprungen war. Eine weitere Erpressung wäre verheerend für Sharons neu gewonnenes Selbstbewusstsein.
Doch Gabrielle würde nicht zulassen, dass ihre Freundin klein beigab. »Du kannst ihn wieder anzeigen«, sagte sie eindringlich. »Das war und ist die einzig richtige Vorgehensweise in so einem Fall. «
»Diesmal ist die Lage völlig anders. Es geht nicht mehr nur um mich – ich muss auch an Richard denken.«
»Genau, und er liebt dich, so oder so.«
Richard kannte Sharon schon lange. Er war in Perkins aufgewachsen, wo er früher ein richtiger Baseballstar gewesen war, aber Sharon und Gabrielle hatten ihn auch bei anderen sportlichen Ereignissen, bei denen Perkins und Stewart gegeneinander antraten, bewundert – und ihrerseits dafür gesorgt, dass er auf sie aufmerksam wurde. Richard wusste also, was Sharon durchgemacht hatte. Und er liebte absolut alles an ihr.
Da Sharon schwieg, fuhr Gabrielle fort. »Richard weiß doch von Tony und der Erpressung. Er wird dich unterstützen. «
»Er weiß über den Vorfall Bescheid, aber er ist sehr konservativ. Er macht mir keine Vorwürfe deswegen, aber er hat auch nie nach den schmutzigen Details gefragt.« Sharon fröstelte.
Gabrielle brüstete sich damit, über eine einigermaßen gute Menschenkenntnis zu verfügen, und in ihren Augen war Richard ein grundanständiger Kerl. »Ich bin sicher, er wollte dich bloß nicht daran erinnern«, beruhigte sie ihre Freundin.
»Es kann aber auch sein, dass ihn das Ganze anwidert.« Sharon rieb sich die Arme. »Bis jetzt hatten wir das Glück, dass niemand diese alten Geschichten ausgegraben hat. Aber wenn diese Fotos an die Öffentlichkeit gelangen, dann kann er seinen Traum von der politischen Karriere vergessen – und ich bin schuld.«
»Aber Sharon …«
Sharon stiegen die Tränen in die Augen. »Es geht mir zwar gegen den Strich, aber ich fürchte, ich werde auf die Forderung eingehen müssen.«
»Nein!« Gabrielle schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad. »Das darfst du auf keinen Fall tun.«
»Mir wird wohl nichts anderes übrigbleiben; es sei denn, dir fällt eine andere Lösung ein. Wer weiß, wie viele von diesen Fotos noch im Umlauf sind.« Sharon strich die Nachricht glatt, die an das Foto geheftet war. »Hier steht, ich soll mit dem Geld morgen Abend um acht im Wave erscheinen. Das ist ein Nachtclub in Stewart.«
»Wie viel will er?«
»Fünftausend Dollar.« Sharon schluckte. »Falls wirklich Tony dahintersteckt, hat er seine Preise saftig erhöht.«
Gabrielle kniff die Augen zusammen. »Ach, heutzutage sind fünftausend Kröten doch fast nichts mehr wert … Denk nur an die Inflation«, scherzte sie.
Es klappte. Sharon lächelte. »Ich weiß. Jedenfalls trägt das Tonys Handschrift. Letztes Mal wollte er am Anfang auch tausend und dann immer mehr. Ich bin sicher, das hat er jetzt auch vor. Er wird versuchen, mich nervös zu machen. Bestimmt soll ich mich jeden Tag fragen, ob die Fotos demnächst in der Zeitung zu sehen sein werden.« Schon bei der Vorstellung wurde sie ganz blass.
Gabrielle dachte angestrengt nach. Irgendetwas
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