Trauerspiel
gelaufen sind», meinte Michael Berger.
«Haben Sie darauf geachtet, ob das kleine Törchen bei den Mülltonnen vor St. Johannis offen stand?», fragte Tanja.
Michael Berger schüttelte den Kopf. «Haben die da Mülltonnen? Da habe ich noch nie drauf geachtet.»
Auch Richard Moll konnte sich an keine Mülltonnen und auch an kein Törchen erinnern, geschweige denn daran, ob es offen stand oder nicht.
«Wir haben in jede Gasse geschaut, aber natürlich nicht hinter alle Mülltonnen, das wäre ja gar nicht möglich gewesen», ergänzte Michael Berger. «Warum fragen Sie nach den Mülltonnen?»
Tanja schwieg, und Berger verstand.
«Haben Sie Julia da…»
Arne nickte schweigend, und Michael Berger griff nach der Hand seiner Schwester.
«Kam Ihnen Julia in der letzten Zeit verändert vor, Herr Berger?», fragte Tanja.
Berger überlegte. «Julia war ein starkes Mädchen, mit einer sehr sensiblen Seele. In der letzten Zeit habe ich manchmal gedacht zu sensibel. Irgendetwas hat sie beschäftigt, manchmal spürte ich, es hat sie etwas gequält.» Berger schwieg nachdenklich. «Aber im Gegensatz zu früher habe ich nicht mehr genau gewusst, was in ihr vorging. Sie war verschlossener als früher.»
Brigitte Moll nickte bestätigend.
«Wo waren Sie gestern Abend?», fragte Arne.
Brigitte und Richard Moll schauten sich an. «Wir waren hier, zuhause. Ich habe mit Michael ein Glas Wein getrunken, Richard hat Steuerunterlagen sortiert. Dann ist Michael nach Hause gegangen, er war ziemlich müde, und ich habe noch etwas ferngesehen. Julia hat mir so vom Flur aus zugerufen, dass sie noch weg will und bald wieder da ist, das war etwa um halb elf.»
Richard Moll starrte auf den Boden. «Ja, und als ich ins Bett wollte, kurz vor Mitternacht, da hat mir Brigitte erzählt, dass Julia noch nicht zuhause ist. Wir haben noch etwas gewartet, ja, und dann bin ich los und habe Julia gesucht. Gegen drei habe ich Michael angerufen.»
«Ich bin dann sofort hierher gekommen und wir haben Julia gesucht», fügte Michael Berger hinzu.
«Wissen Sie, was Julia von Frau Hertz wollte?», fragte Arne.
Alle drei schüttelten den Kopf.
«Ich wusste ja noch nicht einmal, dass sie zu Frau Hertz wollte», antwortete Brigitte Moll.
Tanja und Arne dankten dem Ehepaar Moll und Michael Berger für ihre Unterstützung.
«Die Kamera müssen wir mitnehmen, genau wie das Tagebuch und diese Papiere. Wir müssen auch ein Foto von Julia an die Zeitungen geben, damit die morgigen Ausgaben das Bild drucken können. Dafür können wir die Digitalfotos gut gebrauchen. Sie erhalten alles zurück, sobald wir es untersucht haben.»
Brigitte und Richard Moll nickten stumm. Sie saßen wieder eng nebeneinander auf ihrem Sofa. Die Wände waren weiß gehalten, auch das Sofa war aus weißem Leder. Offenbar hatte die ganze Familie einen Hang zu Blau, denn die farblichen Akzente im Wohnzimmer waren alle in Blau gehalten: blaue Kissen, eine schöne Decke mit einem provenzalischen Muster, eine blaue Glasvase mit weißen Rosen. Michael Berger stand am Fenster und starrte mit leerem Blick hinaus. Das große Fenster gab den Blick auf einen grün bepflanzten und sorgfältig gepflegten Innenhof frei. Unter anderen Umständen hätte dieser Raum bestimmt eine Atmosphäre von Wolken und Meer, eine mediterrane Stimmung mitten in Mainz vermittelt. Heute schien es, als ob sich ein Grauschleier darüber gelegt hätte.Tanja und Arne verließen das Haus in der Goldenluftgasse. Susanne hatte sich ihnen angeschlossen. Die Familie wollte mit ihrem Schmerz jetzt alleine sein. Für Samstag hatten sie sich für das Beerdigungsgespräch verabredet. Draußen war es noch warm, und die Abendsonne hatte den Himmel rosig gefärbt. Die Geräusche der Stadt klangen fröhlich herauf, die Menschen genossen die längsten Abende des Jahres.
«Manchmal finde ich unseren Beruf ganz schön hart», meinte Arne.
Tanja drückte seine Hand.
* * *
«Ihr müsst jetzt sicher ins Präsidium, oder?», fragte Susanne bedrückt, als sie auf der Straße standen.
Tanja nickte knapp. «Ja, ich fürchte, unseren schönen Abend werden wir verschieben müssen. Das heißt, wir sehen uns heute auf jeden Fall noch, aber wegen Julia. Du musst uns die Sache mit dem Anruf ganz genau schildern und uns erzählen, was Julia für ein Mensch war. Du hast sie schließlich schon länger gekannt. Vorher fahren wir aber ins Präsidium und sichten die Ergebnisse, die schon vorliegen, geben die Fotos und den Text an die Zeitungen
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