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Trauerspiel

Trauerspiel

Titel: Trauerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
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aber noch nicht begriffen hat.»
    Tanja schloss die Augen. «Spontan fällt mir ein Spinnennetz ein», sagte sie überrascht.
    «Und wo bist du in diesem Bild?», fragte er.
    «Ich bin mittendrin, zusammen mit Arne», antwortete sie und spürte, wie ihr übel wurde, «es ist ekelhaft. Überall berühren mich klebrige Fäden, und wenn ich einen abschneide, klebt ein anderer an mir.»
    Jacobi blickte sie forschend an. «Was tust du, in diesem Netz?»
    Tanja schluckte. «Ich suche die Spinne. Ich suche die Spinne, die dieses Netz gesponnen hat … bäh.» Tanja schüttelte sich. «Sei so lieb, und gib mir einen Schluck von deinem Wein. Das war ja widerlich!» Sie trank einen Schluck von Jacobis Weißwein. «Nicht schlecht. Vielleicht trinke ich auch ein Glas, es ist ja Zeit für einen Aperitif.»
    Jacobi gab der Bedienung ein Zeichen und bestellte für Tanja ein Glas Riesling. Wie öfter in der letzten Zeit war Tanja hin- und hergerissen zwischen der Bewunderung für seine perfekten Manieren, der Verlockung, sich diesem Mann einfach bedingungslos anzuvertrauen, und dem Bedürfnis, ihre Eigenständigkeit zu bewahren.
    «Das ist interessant, das mit dem inneren Bild», meinte sie. «Ich hätte nie gedacht, dass ich solch eine prägnante Vorstellung in mir habe.»
    Jacobi nickte. «Intelligente und phantasievolle Menschen haben eigentlich immer diese intensiven inneren Bilder. Oft träumen sie auch ganz lebendig. Es kommt darauf an, sich diese Bilder nutzbar zu machen, finde ich.» Er schwieg und trank einen Schluck Weißwein. «Du suchst eine Spinne. Eine Spinne ist – was meinst du? Weiblich oder männlich?»
    Tanja staunte. «Auch das merkst du? Ja, in der Tat denke ich immer mehr, dass der Mörder von Julia auch eine Mörderin sein könnte. Spinnen sind ja weiblich.»
    Jacobi nickte. «Aber vorsichtig. Bilder können dir viel helfen, doch nur, wenn du sie nicht überstrapazierst. Also behalte die Männer auch noch im Blick.» Er lächelte. «Zum Beispiel mich. Was hältst du von der Ausstellung der Beckmann-Bilder in Frankfurt. Heute haben die bis 22.00 Uhr auf. Da können wir beide unsere Bilderwelt weiterentwickeln.»
    Tanja erinnerte sich mit Mühe, wer Max Beckmann war. Malte der nicht diese kantigen Gestalten? Sie erinnerte sich vage. Nun, in zwei Stunden würde sie mehr wissen. «Was gibt's zu essen?», erkundigte sie sich pragmatisch.
    «In Frankfurt werden wir den ein- oder anderen Happen finden können. Zur Not eine Currywurst am Bahnhof, aber ich glaube, mir fallen auch noch andere Lokalitäten ein, in denen wir unseren Appetit stillen können.»
    Und so war es dann auch.
    * * *
    Sie hatten diese wunderbar interessante BeckmannAusstellung besucht, dann hatte Wolfgang genau gespürt, dass sie keine Lust auf ein gestyltes Frankfurter In-SceneAmbiente hatte und war mit ihr zu einem einfachen Ruderclub-Restaurant am Main gefahren. Bei Grüner Sauce und Flammkuchen erzählten sie bis tief in die Nacht. Der Mond stand hell am Himmel als er sie am Flughafen vorbei nach Hause fuhr.
    «Ich liebe dich, Wolfgang. Und ich finde es schwer, dich zu lieben», sagte Tanja mit schon ein wenig schwerer Zunge. «Warum kann ich nicht einfach glücklich mit dir sein?»
    Sie lag tief im Sitz des Mercedes, Wolfgang Jacobi blickte nach vorne und Tanja konnte nicht sehen, dass er weinte.
    Er räusperte sich. «Das konnte noch niemand,Tanja, mich lieben. Aber bei dir, glaube mir, da wünsche ich es mir so, wie ich es mir noch nie in meinem Leben gewünscht habe.»
    Tanja merkte den besonderen Ton in seiner Stimme, aber sie war zu müde, dem nachzuspüren. Als der Wagen in der Mainzer Neustadt vor ihrer Wohnung vorfuhr, da schlief sie schon tief und fest.
    * * *
    «Ich habe den Bezug zu diesem seltsamen Eintrag in Julias Tagebuch raus», sagte Arne am nächsten Morgen. «Das ist ein Zitat aus Otello, steht jeden Abend in Leuchtschrift über der Bühne am Mainzer Staatstheater. Ich bin mir sicher, dass Julia das notiert hat, weil es ein Zitat aus Otello ist. Aber warum sie das getan und was es für sie bedeutet hat und warum sie die letzten 20 Seiten ihres Tagebuchs herausgerissen hat, das weiß ich natürlich nicht.»
    Tanja nagte an ihrem Kuli, sie war noch ziemlich müde. «Das ist doch immerhin etwas. Worum geht es eigentlich bei diesem Otello?»
    Arne war wieder einmal entsetzt über die Abgründe von Tanjas Bildung. «Meine Güte, Tanja, ich dachte, du machst gestern Witze mit deinem ‹K enne ich den Jago?›. Otello, den kennt

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