Trauerspiel
völlig gleichgültig, wer das überlebt oder nicht.»
Susanne überlegte. «Mag sein, ich habe keine Menschenkenntnis. Aber Berger war doch gerade deshalb so erfolgreich, weil er sympathisch ist, oder?»
Tanja stimmte ihrer Freundin widerwillig zu. «Wahrscheinlich hast du sogar recht. Leider wird ihm das auf seiner Flucht helfen. In der Kurfürstenstraße war er natürlich nicht mehr, auch nicht bei Julias Eltern, und im Sender auch nicht. Immerhin, du bist wahrscheinlich nicht mehr in Gefahr. Der Plan mit dir als geständiger Mörderin ist schließlich geplatzt.»
Susanne schaute entsetzt. «Was heißt bitte ‹wahrscheinlich›?»
Tanja legte ihrer Freundin den Arm um die Schulter. «‹Wahrscheinlich› heißt nicht ‹sicher›. Deshalb hast du von heute an einen netten Beschützer an deiner Seite, jedenfalls für die nächsten Tage. Hoffentlich haben wir Berger bis dahin geschnappt. Weit kann er eigentlich nicht sein. Seine Konten sind gesperrt, er hatte keine Zeit, zum Flughafen zu kommen und sein Auto war auch sofort in der Fahndung, so dass er Mainz nicht verlassen haben dürfte. Aber, wer weiß, dem wäre zuzutrauen, dass er sich schwimmend in Sicherheit gebracht hat.»
Susanne wehrte ab. «Ein Typ ständig an meiner Seite, wie soll das funktionieren? Und überhaupt, ich kann keinen Fremden ständig um mich haben.»
Tanja drohte Susanne mit dem Finger. «Zu oft sollte man den Schutz des HERRN nicht herausfordern! Heute hast du eine ganze Armee Schutzengel gebraucht. Apropos, glauben Evangelische eigentlich an Engel? Na ja, wie dem auch sei, du stehst jetzt unter Polizeischutz, wir wollen den Höchsten nicht über Gebühr beanspruchen. Und so fremd ist dir dein Bodyguard auch nicht.» Arne grinste. «Darf ich vorstellen: Arne Dietrich, persönlicher Schutzbeauftragter für Susanne Hertz.»
Susanne ließ sich auf einen Stuhl sinken. «Ihr habt das ja prima eingefädelt.» Dann grinste auch sie. «Dürfen Bodyguards eigentlich mit ihren Schutzbefohlenen eine gute Flasche Wein leeren?»
«Vergiss es», meinte Tanja. «Arne ist bei dir im Dienst, und im Dienst gibt's keinen Alkohol.»
Arne zog eine Schnute. «Schade eigentlich, mit Susanne trinke ich gerne ein Fläschchen!» Er zwinkerte Susanne zu.
Die grinste zurück. «Das wird hart für dich, Sportsfreund. Morgen musst du mit in die Grundschule, dann gibt's zwei Geburtstagsbesuche – übrigens, das wird deiner schlanken Linie gar nicht gut tun –, nachmittags habe ich Dienst im Kirchenladen und abends Kirchenvorstandssitzung.»
Arne ächzte. «Und wann schlafen Pfarrer?»
Susanne winkte leichthin ab. «Schlafen können wir immer noch früh genug auf dem Hauptfriedhof. Vor dem Jüngsten Tag gilt es, wach und nüchtern zu sein und dem HERRN zu dienen. Aber, vielleicht gönne ich mir heute Abend als Erholung ein Gläschen, und du darfst daran schnuppern!»
Arne drohte Susanne. «Pass auf, dass dir dein Bodyguard nicht den Hals umdreht!»
«Ich gehe mal und schaue, was die Fahndung nach Berger macht.» Tanja griff sich ihre Pistole. «Vielleicht komme ich heute Abend vorbei und überprüfe, was ihr macht», grinste sie.
* * *
Die Fahndung nach Berger war bisher erfolglos geblieben. Sie hatten zwar sein Auto im Karstadt-Parkhaus gefunden, aber von ihm selbst fehlte jede Spur. Jetzt saßen Tanja, Arne und Susanne in Susannes Wohnung. Tanja kam es ein bisschen wie ein Déjà-vu vor. War es erst knapp zehn Tage her, dass sie nach Julias Tod hier gesessen hatten? Wieder hatte sie diesen maltesischen Stuhl gewählt, Arne den Sessel aus Paris und Susanne fummelte an dem Springteufelchen herum.
«Lass es, bitte», sagte Tanja erschöpft, und Susanne stellte das Objekt etwas beschämt zurück ins Regal.
«Berger steckte hinter all diesen Aktionen, da bin ich ziemlich sicher», sagte Arne. «Wenn wir ihn haben, könnte er uns alles erzählen – wenn er es tut. Ich traue ihm eher zu, dass er schweigt. Wir haben nicht genug, um ihn festzunageln.»
Tanja drehte ihre Kaffeetasse zwischen den Fingern. «Meinst du? Ich habe auch so meine Zweifel, dass wir ihn festnageln können. Was können wir ihm tatsächlich nachweisen? Eigentlich gar nichts. Ich glaube zwar, dass er hinter der Sache mit dem Lehrer steckte und auch das Genfeld angezündet hat, aber unser Glaube allein wird keinen Haftrichter überzeugen.»
Arne ergänzte. «Ich denke, er hat auch das Foto manipuliert, das Frau Sommer in ihrer Garderobe gefunden hat.»
Susanne goss sich ein Glas Wein
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