Trauerspiel
war vor allem?»
Tanja schaute neugierig. «Hast du eine Idee?»
Susanne nickte. «In der Tat. Ich denke nämlich drei Monate zurück. Und da habe ich Elisabeth Berger beerdigt.»
Aller Spott war aus Arnes Gesicht gewichen. «Moment mal, das könnte interessant sein!»
Tanja war von ihrem maltesischen Stuhl aufgesprungen. «Du meinst, er könnte auch da seine Hände im Spiel gehabt haben?»
Susanne nickte. «Warum nicht? Wie kam denn Frau Berger dazu, ihr Testament zu ändern?»
Arne antwortete: «Noch gestern hätte ich gesagt: Altersstarrsinn. Nach allem, was wir herausgefunden haben, schätze ich aber, dass Michael Berger ihr irgendetwas über ihre Tochter erzählt hat, was Frau Berger absolut nicht tolerieren wollte und konnte. Was das gewesen sein könnte – Frau Berger hat es mit ins Grab genommen und wir werden es wohl nie herausfinden.»
Tanja schlug ihre Faust in die Hand. «Aber eines hat sie mit ins Grab genommen, was wir schon herausfinden können – nämlich, ob Michael Berger beim Tod seiner Mutter nachgeholfen hat. Und ebenfalls nach allem, was wir inzwischen herausgefunden haben, kann ich mir das sehr gut vorstellen. Arne, wir beantragen gleich morgen früh die Exhumierung.»
Susanne nickte. «Eigentlich grausig, die Vorstellung. Wir wissen, dass er ein skrupelloser Mörder ist und wir können gar nichts tun, uns sind die Hände gebunden.»
Arne war ebenfalls aus seinem Sessel aufgestanden. «Wer weiß, was er als nächstes plant. Er muss sich ja unverwundbar vorkommen, fast wie Gott. Er entscheidet über Leben und Tod, und niemand kann ihn dafür zur Verantwortung ziehen.»
Susanne schaute nachdenklich. «Es muss doch einen Weg geben, ihn für seine Taten anzuklagen. Aber wenn ich an Julias Eltern denke – ich werde morgen diese Beerdigung würdig leiten und nichts von unserem Verdacht sagen – auch dann, wenn Michael Berger selbst den Sarg tragen sollte. Die beiden sollen ungestört von ihrer Tochter Abschied nehmen dürfen.»
* * *
Der helle Kiefernsarg stand direkt vor dem Altar. Julias Eltern hatten bunte Sommerblumen als Sargschmuck ausgewählt, Malven, Levkojen, Margeriten, Rosen und Lupinen waren auf einem zartrosa Band zusammengebunden, das den Sarg bedeckte und bis auf den Altarboden fiel. Beim Anblick von Julias Eltern in der ersten Reihe musste Susanne selbst mit den Tränen kämpfen. Michael Berger saß direkt neben seiner Schwester. Susanne schaute ihn nachdenklich an. Bis spät in der Nacht hatte sie noch über ihrer Ansprache gegrübelt. Sie wollte und durfte Berger als Mörder nicht erwähnen, obgleich sie, genau wie Tanja und Arne, doch sicher war, dass er es gewesen war. Susanne konn te sich allerdings immer noch nicht vorstellen, wie er es fertiggebracht hatte, seiner eigenen Nichte, die ihm bis kurz vor ihrem Tod bedingungslos vertraut hatte, direkt ins Herz zu stechen. Immer noch sah sein Gesicht freundlich und offen aus, tatsächlich schienen seine Augen rotgeweint. Wie man sich in einem Menschen täuschen konnte! Welche Grausamkeit sich hinter diesen sensiblen Zügen verbarg! Susanne merkte, dass Michael Berger ihren Blick erwiderte. Unmerklich nickte er mit dem Kopf. Susanne spürte, wie es in ihr kalt wurde. Sie wusste nicht, ob vor Angst oder vor Abscheu. Sie nickte nicht zurück, sondern blickte Berger einfach ruhig an. Er senkte nicht den Blick, sondern lächelte ganz leicht. Susanne stand auf und ging zum Altar. Nach einem stillen Gebet verbeugte sie sich vor Julias Sarg, dann trat sie an das Lesepult. Sie suchte den Blickkontakt zu Julias Eltern, aber die schauten wie erstarrt auf den Sarg ihrer Tochter. Dafür waren viele junge Augenpaare auf Susanne gerichtet. Die St. Johanniskirche war trotz ihrer Größe überfüllt, Angehörige und Freunde, aber auch die Mitschülerinnen und Mitschüler von Julia und ihre Lehrerinnen und Lehrer waren gekommen. Susanne sah auch manches Gesicht, das ihr aus den Aufführungen des Staatstheaters bekannt vorkam. Ob auch Thorsten Braun gekommen war? Susanne konnte ihn in der Menge nicht entdecken. Zu Susannes großer Überraschung hatte sich Ulrike Sommer bei ihr gemeldet und ihr mitgeteilt, dass sie sich dem Chor für Mozarts Requiem zur Verfügung stellen wolle. Frau Sommer war es offensichtlich ein großes Anliegen, sich für ihre Verdächtigungen zu entschuldigen und auf ihre Weise der Verstorbenen Abbitte zu leisten.
«Im Grunde habe ich Julia viel zu verdanken. Nach ihrem Tod hatten mein Mann und ich eine ernste
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