Trauerspiel
Stimme etwas gedämpft, aber deutlich aus dem Lautsprecher, «die Wahrheit muss ans Licht kommen. Wahrheit geht letztlich über alles. Ich bin verantwortlich für den Tod von Sven Rothermund. Ich habe mich an dem Jungen vergangen. Ich bin schuld am Tod von Julia. Das wird mir alles zu viel. Ich muss die Konsequenzen ziehen. Die Wahrheit muss ans Licht kommen. Ich bin verzweifelt und weiß, was ich jetzt tun muss.» Die Verbindung brach ab.
Arne und Tanja schauten sich an.
«Ist das die Stimme von Frau Hertz?», fragte der Beamte. «Wenn ja, haben Sie jetzt ja ein eindeutiges Geständnis.»
Tanja nickte nervös. «Ja, das ist die Stimme von Susanne. Aber ich weiß, dass sie das nie gesagt hat.» Tanja spürte, wie es ihr heiß und kalt wurde. Ihre Kehle schnürte sich zu. «Arne, Susanne ist in großer Gefahr, versuch, sie auf dem Handy zu erreichen.» Und zum Beamten gewandt fuhr sie fort: «Wählen Sie bitte sofort die Nummer von Pfarrerin Hertz, hier», sie schrieb schnell die Nummer auf und hielt dem Polizisten einen Zettel mit Susannes Nummer hin. Der Beamte war etwas erstaunt, tat aber widerspruchslos, was Tanja von ihm verlangte.
«Sie hat ihr Handy ausgeschaltet», verkündete Arne, der merkte, wie ihn Tanjas Nervosität ansteckte, «was hat das alles zu bedeuten?»
«Diese Nummer ist besetzt», verkündete der Polizist.
«Versuchen Sie es noch mal», drängte Tanja.
«Immer noch besetzt», der Beamte schüttelte den Kopf.
Tanja griff Arne am Arm. «Komm, wir müssen sofort zu Susanne, sie ist in Lebensgefahr.»
* * *
«Herr Dr. Kremer, ich muss zu einem Notfall, und ich will jetzt gehen.»
«Das ist typisch, dass Sie sich keine Zeit nehmen!»
«Herr Dr. Kremer, ich lasse mich jetzt weder von Ihnen noch von Karl Barth aufhalten.»
«Aber, Karl Barth …»
«Ziehen Sie doch nach Safenwil!» Susanne drückte Herrn Dr. Kremer aus der Leitung und warf einen Blick auf die Uhr. Mehr als fünf Minuten hatte sie mit diesem Menschen vertrödelt! Eilig griff sie sich ihre Handtasche und eilte nach draußen. Da klingelte schon wieder das Telefon. «Diskutieren Sie doch mit meinem Anrufbeantworter, Herr Dr. Kremer!», sagte Susanne laut und schloss vernehmlich die Tür.
* * *
«Jetzt ist die Leitung frei», rief der Beamte von der Telefonzentrale Arne und Tanja zu.
Beide liefen zurück.
«Geh ran», bat Tanja inständig. Da sprang Susannes Anrufbeantworter an.
«Es hilft nichts», entschied Tanja. Sie wandte sich an den Polizisten. «Schicken Sie einen Einsatzwagen zur Wohnung von Frau Hertz. Und setzen Sie ihr Auto auf die Fahndung, die Nummer weiß ich nicht, müssen Sie rauskriegen, ein alter Alfa. Geben Sie auch ihre Beschreibung durch, Mitte dreißig, mittelgroß, mittelbraun, relativ schlank.»
Der Polizist schaute etwas skeptisch.
«Ich weiß, das ist nicht sehr genau, aber wir müssen sie finden und in Sicherheit bringen.» Tanja stürmte aus der Leitstelle und zog Arne hinter sich her.
«Ich verstehe gar nichts», ächzte der.
«Wir fahren jetzt zu Susanne. Die Sache ist doch klar!», meinte Tanja. «Aber bevor ich dir irgendwas erkläre, versuch doch noch mal, ihr Handy anzurufen!»
«Das Handy ist ausgeschaltet», sagte Arne resigniert.
* * *
Susanne manövrierte ihren Alfa geschickt aus der Parklücke und fädelte sich in den Verkehr ein. An der nächsten roten Ampel dachte sie an ihr Handy und schaltete das Gerät ein. Möglicherweise musste sie weitere Kollegen benachrichtigen, wenn sich der Notfall umfangreicher als gedacht herausstellen würde. Eine Großfamilie konnte sie alleine unmöglich betreuen. Aber erst einmal galt es, zum alten Zollhafen zu fahren und sich um die Mutter zu kümmern. Sie blinkte und fuhr am Hilton vorbei in Richtung Neustadt.
* * *
«Gott, wenn es dich gibt, lass sie ihr Handy einschalten», betete Tanja still.
«Probier es noch mal!», schrie sie Arne an.
Der schaute sie nur kurz an, zuckte mit den Schultern und tippte die Wahlwiederholung. «Jetzt hat sie es an», sagte er angespannt.
«Hertz», knarrte es kurz darauf aus dem Hörer.
Tanja riss das Handy an sich. «Susanne, wo du auch bist, fahr sofort nach Hause und bleib da, mach niemandem auf, außer uns, oder noch besser, fahr zum Polizeipräsidium und bleib da, bis wir da sind.»
«Tanja, du bist verrückt, ich bin auf dem Weg zu einem Notfall, und …»
«Es gibt keinen Notfall, der Notfall bist du, kapiert!»
«Ich versteh gar nichts!»
«Wo bist du?»
«In der Rheinallee.»
«Fahr zum
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