Traumhaft verliebt - Roman
ein bisschen bösartig sein, wenn du aus dir herausgehst.«
Das musste sie wohl vergessen haben. »Das ist lange her. Ich bin nicht mehr das dumme kleine Mädchen.«
»Du warst niemals dumm. Ich habe dich als ziemlich aufmerksam und scharfsichtig in Erinnerung.«
Sie war außerordentlich erfreut über diese Bemerkung.
Während er sie über die Tanzfläche führte, wurde sein Grinsen immer breiter. »He, sieh mal einer an.«
»Was?«
»Du tanzt. Du hast aufgehört, darüber zu grübeln, warum du nicht tanzen kannst, und überlässt dich einfach meiner Führung«, sagte er. »Du bist aus deinem Kopf in deinen Körper gewandert.«
Ding! Da hatte er recht.
»Wie oft treibst du Sport?«
»Ich denke, das geht dich nichts an.«
»Das heißt offenbar nie.«
»Ich gehe zu Fuß. Ich lebe in Manhattan.«
»Du gehst inmitten der Menschenmassen, hetzt zwischen all den Leuten umher.«
»Na und?«
»Das ist nicht das Gleiche wie eine sanfte, gleichmäßig wiederholte Bewegung. Wie beim Tanzen. Es holt dich aus deiner Festung heraus.«
»Aus meiner Festung?« Sarah lachte. Eigentlich sollte sie den Tanz abbrechen und die Tanzfläche verlassen, aber sie war fasziniert, wie gut er sie zu kennen schien, ohne dass er sie wirklich kannte. Seine Augen funkelten, wenn er sie ansah. Und dann war da noch diese eine Sache, die sie nicht eingestehen wollte, nicht einmal sich selbst: dass das pummelige fünfzehnjährige Mädchen tief in ihrem Innern total glücklich darüber war, in seinen Armen zu liegen, und wenn auch nur für den Moment.
Aber mal im Ernst, das war ja echt traurig.
Ein neues Lied begann. Jetzt schmalzte »I Saw Mommy Kissing Santa Claus« aus der Musikbox. Sie standen mitten auf der Tanzfläche, als Travis plötzlich innehielt.
Sarah schaute ihn an. »Was ist?«
Er legte den Kopf in den Nacken und blickte hinauf zur Decke.
Ein Mistelzweig.
Sie standen tatsächlich unter einem Mistelzweig, der in der Mitte des Lokals von der Decke hing. So viel zum Thema Weihnachtsklischees.
Ihre Zehen verkrampften sich in ihren Stiefeln. Es war so lange her, dass sie geküsst worden war. Sie wollte schon Nein sagen, doch als sie den Mund öffnete, kam kein Wort heraus.
Er musste ihre geöffneten Lippen als Aufforderung verstanden haben, denn er zog sie an sich und neigte ihr den Kopf zu.
Sarah hielt die Luft an, und ihre verräterischen Hände hoben sich wie von selbst und verschränkten sich hinter seinem Nacken.
Travis.
Sie küsste Travis Walker, das Objekt ihrer Teenager-Liebe. Den Mann, dessen Namen sie einst in ihr Schulheft gekritzelt hatte. Den Mann, von dessen Küssen sie endlos geträumt hatte.
Sein Mund lag auf ihrem.
Jetzt, in diesem Augenblick. Und das war kein Traum.
Sie kippelte auf ihren Zehn-Zentimeter-Absätzen, ihre Knie waren so weich wie zu lange gekochte Spaghetti. Der Geruch nach Kiefern stieg ihr in die Nase, zusammen mit etwas anderem … dem Duft erhitzter Männerhaut.
Er legte ihr die gespreizte Hand ins Kreuz und fuhr mit der Zunge sanft über ihre Lippen, was ihr einen angenehmen Schauder das Rückgrat hinunterrieseln ließ. Seine Hand fühlte sich so groß an, seine Finger so kräftig. Seine Lippen neckten sie, nahmen dem Augenblick die Ernsthaftigkeit. Er küsste sie nicht wirklich, ermahnte sie sich, sondern tat nur so für die Damen vom First Love Cookie Club.
Dennoch gurrte sie leise, um ihn zu ermutigen, obwohl sie das absolut Falsche zur absolut falschen Zeit am absolut falschen Ort tat. Doch wann war Sarahs Timing jemals passend gewesen?
Travis’ Kuss wurde intensiver, wenn auch nur ein wenig, was in ihr ein unpassendes Gefühl von schmerzlicher Gereiztheit auslöste. Ihr wurde schwindelig. Was tat sie da bloß? Warum hatte sie sich darauf eingelassen? Sie sollte einen Schritt zurückmachen, ihre Stirnfransen zurechtstreichen und so tun, als wäre nichts passiert.
Heiliger Strohsack, der Kerl konnte küssen. Er war früher nicht umsonst der Casanova von Twilight gewesen.
Jemand in dem überfüllten Lokal stieß einen Pfiff aus.
Ihre Wangen röteten sich, und sie zog sich mit einem leichten Achselzucken zurück, als wäre das alles ein unbedeutender Scherz gewesen. Haha. Keine große Sache. Unter dem Mistelzweig geküsst zu werden war doch ein alter Hut.
Sie wagte es nicht, zu den Damen des Plätzchenclubs hinüberzuschauen. Travis sah sie ebenfalls nicht an. Sie tastete auch nicht nach ihren Lippen, die immer noch kribbelten, obwohl sie das gerne getan hätte. Sie
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