Traumhaft verliebt - Roman
daran, dass sie als Eltern versagt hatten.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, Jazzy fortzuschicken.« Travis’ Stimme klang brüchig vor Emotionen. »Wie war es auf dem Internat für dich?«
»Es war in Ordnung. Ich habe mir nicht gern das Zimmer mit jemandem geteilt.« Sie verzog das Gesicht. »Privatsphäre ist mir sehr wichtig, und ich war in Gesellschaft schon immer unbeholfen. Deshalb habe ich viel Zeit in der Bibliothek verbracht, und wenn ich mich mit den anderen auseinandersetzen musste, übernahm ich einfach ihre Gesichtsausdrücke und Gewohnheiten und sprach, wie sie sprachen, um mich anzupassen. Ich habe beobachtet, gelernt und nachgeahmt. Und du?«
»Ich? Wenn ich mit Menschen zusammen bin, ist es, als stünde ich unter Strom. Ich bin voller Energie, und ich denke darüber nach, was ich tun kann, damit es für alle Beteiligten noch lustiger wird«, sagte er.
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte sie.
»Also …« Er zögerte. »Wie ist es für dich, in einer romantischen Beziehung zu sein?«
Wie sollte sie ihm erklären, dass sie die meiste Zeit ganz glücklich ohne eine romantische Beziehung war? So merkwürdig das für manche Leute auch klingen mochte, es gefiel ihr, abstinent zu leben, denn es befreite sie von persönlichen Verpflichtungen.
Zugegeben, manchmal, wenn sie draußen auf der Straße einander küssende oder Händchen haltende Paare sah, fühlte sie sich einsam und fing an, ihre Zurückgezogenheit zu hassen. Doch immer, wenn sie mit jemandem zusammen war, stellte sie fest, dass sie sich erst hinterher richtig wohlfühlte, wenn sie wieder allein war und in Gedanken alles noch einmal durchgehen konnte. Es war, als wäre die Erinnerung an die Verabredung bereichernder als die Beziehung an sich. Auf lange Sicht hatte sie sich in der Vergangenheit mit einem Partner oft einsamer gefühlt als ohne, was in ihr die Frage aufwarf, ob sie überhaupt zu spontanen Gefühlen fähig war, wenn die Sache ernster wurde.
Einmal hast du dich auf spontane Gefühle eingelassen. Und diese Gefühle galten genau jenem Mann, der dir jetzt gegenübersitzt.
Tja, und nun schau, was daraus geworden ist.
Aber es war ihr wieder passiert; obwohl sie sich mit aller Macht dagegen gewehrt hatte, hatte sie sich doch in ihn verliebt. Vielleicht hatte sie nie aufgehört, ihn zu lieben, sondern die Erinnerung an ihn neun Jahre lang verdrängt.
»Verrätst du mir, wovor du wirklich Angst hast?«, fragte er.
Sarah blickte auf seine Hand und fuhr mit dem Zeigefinger seine kräftigen Muskeln nach. Ein Scheit im Kamin knackte und schickte einen Funkenregen den Schornstein hinauf. Sie blickte in Travis’ Augen und verstand plötzlich, dass dieses Gefühl für ihn genauso aufreibend war wie für sie. Also nahm sie all ihren Mut zusammen und sagte:
»Ich habe Angst … weil, nun, weil ich nicht weiß, wohin das hier führt. Ich weiß nicht, was ich mir wünsche, wohin es führen soll. Und ich habe Angst, weil ich dich mehr begehre, als ich sollte.« Sie zögerte, wandte den Blick ab und schaute ins Feuer.
»Ja«, sagte er. »Ich verstehe, dass dir der Gedanke, mit mir zusammen zu sein, Angst macht.«
Meinte er das sarkastisch? Hatte sie seine Gefühle verletzt? »Vor dir habe ich keine Angst«, stellte Sarah klar. »Ich habe vor mir selber Angst. Ich hatte noch nie eine richtige Beziehung. Ich weiß noch nicht mal, ob ich dazu in der Lage bin.«
»Du hast Angst davor, zu viel zu empfinden.«
Das traf den Nagel auf den Kopf. Sarah runzelte die Stirn.
»Ich hätte dich nicht mitnehmen sollen. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass wir noch warten. Ich wusste, dass ein Sturm aufzieht, ich dachte nur, wir könnten es noch schaffen, und ich dachte …« Seine Augen waren rätselhaft. »Wem mache ich eigentlich etwas vor? Ein Teil von mir hat sich gewünscht, dass ich mit dir in dieser Hütte in einem Eissturm festsitze.« Er atmete hörbar aus und fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles, zerzaustes Haar. »Nicht bewusst, sondern auf einer unterbewussten Ebene. Ich dachte, es sei die einzige Möglichkeit, dich festzunageln.«
»Aber jetzt«, sagte sie, »bist du selbst festgenagelt.«
»Ja.« Er lächelte schief. »Wenn ich clever wäre, würde ich mich zu Fuß auf den Weg in die Stadt machen und mit dem Räumfahrzeug anrücken, um dich zu retten.«
»Bitte tu das nicht. Ich möchte nicht, dass du gehst.«
»Und genau aus dem Grund sollte ich vermutlich tatsächlich aufbrechen, aber ich kann dich nicht einfach so
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