Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
verheißungsvoll in den Blättern und für einen kurzen Augenblick ist Hailey versucht, einfach loszurennen. Alles zurücklassen, keine Verpflichtungen mehr. Vermutlich würde sie nicht weit kommen, doch das wäre egal. Nur wenige Stunden absolute Freiheit wären genug. Dann hätte sie zumindest einmal in ihrem Leben wirklich gelebt .
»Hailey, komm schon!«, drängt Kira und der Moment verfliegt. Wehmütig wendet Hailey sich ab und folgt ihnen. Die kleinen Steine knirschen verräterisch laut unter ihren Füßen.
»Schneller«, murmelt Jules unaufhörlich und treibt sie damit alle an. Sie wissen nicht, wie viel Zeit genau vergangen ist, aber ihr Verschwinden wird schnell bemerkt werden.
Als sie an der Gebäudeecke angekommen sind, verändert sich der Untergrund. Harter Asphalt dämpft ihre Schritte.
Auf dem Parkplatz stehen viele Fahrzeuge. Zielstrebig steuert Jules auf eines davon zu.
»Hier, haltet ihn kurz.«
Er lässt Caleb auf die Schultern der Mädchen gleiten und schließt den Wagen auf. Verblüfft starrt Hailey ihn an.
»Ich bin achtzehn, das Auto gehört meiner Mutter. Ja, einen Führerschein habe ich. Rein jetzt!«
Er öffnet die Hintertür und Kira rutscht auf den Sitz.
»Gebt mir Caleb.«
Gehorsam heben Hailey und Jules den leblosen Körper zu ihr ins Wageninnere. Kira bettet seinen Kopf auf ihren Schoß und schnallt sich dann an. Um Haileys Herz schließt sich eine eiserne Faust. Verwundert runzelt sie die Stirn und wendet den Blick ab.
Jules umrundet den Wagen und setzt sich auf den Fahrersitz. Hailey schließt die Tür hinter sich und legt den Sicherheitsgurt an.
»Los!«
Jules startet, der Motor brummt auf und der Wagen macht einen Satz nach vorne. Unwillkürlich klammert sich Hailey an dem Griff unterhalb des Fensters fest.
Gerade als sie das eiserne Tor passieren wollen, schreit Kira von hinten auf.
»Da kommt der Wachmann.«
Der beleibte Wächter, der sonst Ein- und Ausfahrt regelt muss seinen Posten verlassen haben, um nach dem Alarm zu sehen. Jetzt hetzt er auf sie zu und das Gitter blockiert die Ausfahrt.
»Du hast nichts von einem Gitter gesagt«, beschwert Hailey sich.
»In all der Aufregung vergessen.« Jules Gesicht verliert jede Farbe. »Scheiße, was machen wir denn jetzt?«
Haileys Augen wandern zu dem kleinen Häuschen, dessen Tür offen steht. Kurzerhand springt sie aus dem Wagen und sprintet zum Arbeitsplatz des Wächters. Sie erwartet jede Menge komplizierte Knöpfe, doch tatsächlich sieht sie nur drei und daneben ein Funkgerät.
Öffnen.
Sie betätigt den beschrifteten Knopf und ohne nachzusehen ob er funktioniert, rennt sie zurück. Atemlos lässt sie sich neben Jules nieder, der sie entgeistert anstarrt. Das Gitter vor ihnen rollt zur Seite, der Wachmann hinter ihnen brüllt lauter, doch sie verstehen ihn noch immer nicht. Aufgrund seines Übergewichts ist er sichtlich aus der Puste und muss kurz innehalten.
Jules wirft ihm einen letzten Blick im Rückspiegel zu und fährt dann durch das Tor nach draußen.
An der nächsten Straße biegt er nach rechts ab. Jubelnd streckt er eine Faust in die Luft.
»Wir haben es geschafft. Macy wird so glücklich sein!«
Mit einer Hand wühlt er in seiner Hosentasche und drückt Hailey sein Handy in die Hand.
»Am besten rufst du sie mal an.«
»Was soll ich ihr sagen?«
»Dass wir uns an meinem Ort treffen.«
Sechstes Kapitel
Jules schäbiges Auto fällt in der heruntergekommenen Gegend nicht weiter auf. Zielsicher steuert er es in eine kleine Seitengasse und stellt dann den Motor ab. Er schließt die Augen und atmet kurz durch. Hailey sieht ihn gespannt an. In diesem Viertel war sie noch nie. Die eingefallenen Häuser machen keinen vertrauenserweckenden Eindruck auf sie. Andererseits zeugt der Beton dafür, dass diese Gebäude vor der Regierungszeit entstanden und somit kamerafrei sind. Genau das, was sie brauchen.
»Los geht’s«, sagt sie kampflustig.
»Was?«
Die brüchige Stimme lässt alle zusammenzucken.
»Caleb!«, ruft Kira freudig. Die Erleichterung in ihrer Stimme ist unverkennbar. »Endlich. Wie geht es dir?«
Hailey dreht sich um. Calebs Blick irrt umher und bleibt an ihr hängen.
»Hailey, du hast es geschafft«, flüstert er, ohne auf Kiras Frage einzugehen. Diese presst sichtlich verletzt die Lippen zusammen und wendet den Kopf zum Fenster. Vorsichtig setzt Caleb sich auf.
»Wo sind wir?«
»Hoffentlich bald in Sicherheit«, antwortet Jules und öffnet die Tür. Hailey tut es ihm nach, um
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