Traummann mit Zuckerkuss
nicht, heißes Wasser nachzufüllen, wenn der Dampf weniger wird.
In dieser Woche stand für Issy eine Unterredung mit der Buchhalterin, Mrs Prescott, über ihren Geldfluss an. Es war inzwischen Mitte April, und die schwache Abendsonne fiel durch das Rollo des Kellerfensters. Issy war todmüde und konnte sich nicht einmal mehr darin erinnern, wo sie eigentlich den Dampfgareinsatz aufbewahrten. Sie hatte heute ganze sechzehn Kunden bedient, und vom langen Stehen taten ihr die Füße weh. Als der Kindergarten anrief, weil Louis einen Wutanfall hatte, ließ sie Pearl früher gehen.
» Das liegt nur an diesen schrecklichen anderen Kindern«, fluchte ihre Angestellte. » Die starren ihn die ganze Zeit an. Und dann spielen sie so blöde Spiele wie Ringelreihen, bei denen er nicht mitmachen kann.«
Das wunderte Issy jetzt doch.
» Blöde Snobs!«, schimpfte Pearl.
» Kann er das mit dem Ringelreihen denn nicht lernen?«, fragte ihre Chefin. » Ich kann es ihm beibringen, wenn du willst.«
» Darum geht es doch gar nicht«, meinte Pearl. Sie wurde ganz still. » Die machen sich über ihn lustig!«
» Wie denn?«, fragte Issy, die mit Erstaunen bemerkte, wie wütend sie das machte.
» Sie nennen ihn Schweinchen Dick«, antwortete Pearl mit erstickter Stimme.
Issy biss sich auf die Lippe. » Oh.«
» Was denn?«, rief Pearl kampflustig. » Es ist doch nichts an ihm auszusetzen. Er ist einfach perfekt! Ein zauberhaftes rundliches Baby!«
» Er wird schon klarkommen«, sagte Issy. » Er muss sich nur erst eingewöhnen. Der Kindergarten ist schließlich eine neue Welt für ihn.«
Aber sie gab Pearl für den Nachmittag trotzdem frei. Und egal, ob sie nun wenige Kunden hatten oder manche ihrer Tische und Stühle gar nicht benutzt wurden– Pearl hatte jeden Tag die Toiletten geschrubbt, die Tische poliert und Armlehnen und Beine der Stühle abgewischt. Das Lokal war stets blitzblank. Vielleicht lag da das Problem, hatte Issy gedacht. Vielleicht hatten die Leute Angst, hier etwas schmutzig zu machen.
» Die Sache ist die«, begann Mrs Prescott bei ihrem Treffen, » Sie müssen ein Auge auf Ihr Warenangebot haben. Schauen Sie sich doch einmal an, was Sie an Zutaten verbrauchen. Ich weiß, ich sollte Ihnen wirklich keine Vorträge darüber halten, wie Sie Ihr Geschäft zu führen haben, aber so wie es aussieht, backen Sie einfach zu viel, und der Kuchen muss dann am Ende des Tages weggeworfen oder verschenkt werden.«
Issy sah auf ihre Hände und murmelte: » Ich weiß. Aber es ist so, mein Großvater… mein Großvater sagt, wenn man Gutes tut und etwas in die Welt hinausgibt, denn fällt das Gute auch auf einen zurück.«
» Ja, also, es ist nur ziemlich schwierig, diese guten Taten buchhalterisch zu erfassen«, schniefte Mrs Prescott. » Und es ist auch schwierig, mit guten Taten ein Darlehen abzuzahlen.«
Issy sah noch immer auf ihre Hände hinunter.
» Mein Großvater war erfolgreich«, versicherte sie und biss sich auf die Lippe. » Er hat es geschafft.«
» Vielleicht sind die Zeiten heutzutage eben härter«, meinte Mrs Prescott. » Das Leben ist rasanter geworden, die Erinnerung reicht nicht mehr so weit zurück, denken Sie nicht auch?«
Issy zuckte mit den Achseln. » Ich weiß nicht. Ich will doch nur ein gutes Café führen, ein nettes Café, das ist alles.«
Mrs Prescott zog die Augenbrauen hoch, erwiderte aber nichts mehr. In Gedanken nahm sie sich vor, sich schon mal nach neuen Kunden umzusehen.
Als Pearl an diesem Abend nach Hause kam, war sie schon aufgebracht genug, und dann saß er da auf der Treppe am Hintereingang, einfach so, als hätte er nur seine Schlüssel vergessen. Sie spürte, wie Louis’ kleine Pfote in ihrer Hand vor Vorfreude zu zittern begann. Gut, dass er noch Windeln trug, denn er hatte sich bestimmt gerade vor Aufregung in die Hosen gemacht. Ihr war klar, dass er am liebsten freudestrahlend auf den Mann zugelaufen wäre. Allerdings wusste der kleine Junge auch, dass das seiner Mutter so gar nicht gefallen würde. Ebenso, dass dieser Mann sich manchmal darüber freute, ihn zu sehen, und dann mit Versprechungen und Geschenken kam, und manchmal nicht.
Pearl schluckte heftig. Es war vermutlich nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sich herumgesprochen hatte, dass sie jetzt Geld verdiente. Und er wollte wahrscheinlich etwas davon abhaben.
Wie gut er doch immer noch aussah, dachte sie widerwillig. Louis hatte sein süßes Lächeln von ihr, aber der Rest seines zauberhaften
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