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Traumpfade

Traumpfade

Titel: Traumpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Chatwin
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Rock.
    »Liebe Grüße«, sagte Flynn spöttisch.
    »Bis bald, Kumpel«, wandte sich Kidder an mich.
    »Bis bald«, sagte ich.
    Sein glänzender schwarzer Landcruiser parkte in der Auffahrt. Er machte die Scheinwerfer an und beleuchtete alle Menschen im Garten. Er brachte den Motor heulend auf Touren und setzte den Wagen zurück bis zur Straße.
    »Großer weißer Chef, weg isser!« sagte Flynn.
    »Dummer Sack«, sagte Marian.
    »Sei nicht ungerecht«, widersprach ihr Arkady. »Unter der Schale steckt ein guter Kern.«
    »So weit bin ich nie vorgedrungen.«
    Flynn hatte sich in der Zwischenzeit über seine Freundin gebeugt und küßte sie, bedeckte ihr Gesicht und ihren Hals mit den schwarzen Flügeln seines Barts.
    Es war Zeit zu gehen. Ich bedankte mich bei ihm. Er schüttelte meine Hand. Ich übermittelte ihm die Grüße von Pater Terence.
    »Wie geht es ihm?«
    »Gut«, sagte ich.
    »Immer noch in seiner kleinen Hütte?«
    »Ja. Aber er sagte, er wird sie bald verlassen.«
    »Pater Terence«, sagte Flynn, »ist ein guter Mensch.«

13
    I ch war im Motel schon halb eingeschlafen, als es an meine Tür klopfte.
    »Bru?«
    »Ja.«
    »Hier ist Bru.«
    »Ich weiß.«
    »Oh!«
    Dieser andere Bruce hatte auf der Fahrt von Katherine im Bus neben mir gesessen. Er war von Darwin hergekommen, wo er sich kurz zuvor von seiner Frau getrennt hatte. Er suchte einen Job bei einem Straßenbautrupp. Er vermißte seine Frau schrecklich. Er hatte einen großen Bierbauch und war nicht sehr gescheit.
    In Tennant Creek hatte er gesagt: »Du und ich, wir könnten Freunde sein, Bru. Ich könnte dir zeigen, wie man einen Dozer fährt.« Ein andermal sagte er mit noch größerer Herzlichkeit: »Du bist kein mieser Engländer, Bru.« Jetzt, lange nach Mitternacht, stand er draußen vor meiner Tür und rief: »Bru?«
    »Was ist denn?«
    »Willst du nicht rauskommen und dich besaufen?«
    »Nein.«
    »Oh!«
    »Wir könnten uns ein paar Weiber anlachen«, sagte er.
    »Tatsächlich?« sagte ich. »Mitten in der Nacht?«
    »Du hast recht, Bru.«
    »Geh ins Bett«, sagte ich.
    »Na dann, gute Nacht, Bru.«
    »Gute Nacht!«
    »Bru?«
    »Was willst du denn noch?«
    »Nichts«, sagte er und schlurfte mit seinen Gummisandalen schlip … schlip durch den Flur davon.
    Auf der Straße draußen vor meinem Zimmer war ein silberweißes Licht, und ein Betrunkener brummelte auf dem Gehsteig. Ich drehte mich zur Wand und versuchte zu schlafen, aber ich mußte dauernd an Flynn und seine Freundin denken.
    Ich erinnerte mich, wie ich mit Pater Terence an seinem verlassenen Strand gesessen hatte, und hörte ihn sagen: »Ich hoffe, sie ist sanft.«
    Flynn, sagte er, sei ein ungeheuer leidenschaftlicher Mann. »Wenn sie sanft ist, wird ihm nichts passieren. Eine harte Frau könnte ihn in Schwierigkeiten bringen.«
    »Was für Schwierigkeiten?« fragte ich.
    »Revolutionäre Schwierigkeiten oder dergleichen. Flynn hat ein ausgesprochen unchristliches Verhalten hinnehmen müssen, und das allein könnte ihn aufbringen. Aber nicht, wenn die Freundin sanft ist …«
    Pater Terence hatte sein Theben an den Ufern des Timorsees gefunden.
    Er lebte in einer aus Wellblech zusammengebauten, weißgetünchten Klause, die zwischen Schraubenpalmengruppen auf einer Düne aus mehligem weißen Sand stand. Er hatte die Wände mit Tauen gesichert, damit die Blechstücke bei einem Tornado nicht davonflogen. Auf dem Dach war ein Kreuz, dessen Arme aus zwei Teilen eines zerbrochenen Ruders zusammengebunden waren. Er lebte seit sieben Jahren hier, seit der Schließung von Boongaree.
    Ich näherte mich vom Lande her. Ich konnte aus weiter Entfernung zwischen den Bäumen hindurch die Hütte sehen, die sich auf der Düne vor der Sonne abhob. Auf einer Koppel darunter graste ein Brahma-Bulle. Ich kam an einem Altar aus Korallenplatten vorbei und an einem Kruzifix, das an einem Zweig baumelte.
    Die vom Wind aufgehäufte Düne war höher als die Baumkronen, und als ich die Böschung hinaufstieg, sah ich landeinwärts zurück über einen ebenen, bewaldeten Landstrich. Der See zugewandt waren die Dünen hügelig und mit Seegras gesprenkelt, und an der Nordseite der Bucht zog sich eine schmale Reihe von Mangroven hin.
    Pater Terence hackte auf einer Schreibmaschine herum. Ich rief seinen Namen. Er kam heraus, in Shorts, ging wieder hinein und kam erneut heraus, in einer schmutzigen weißen Soutane. Er fragte, was denn in mich gefahren sei, den langen Weg in der Hitze zu Fuß

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