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Traumpfade

Traumpfade

Titel: Traumpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Chatwin
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Schwester und legte ihn auf den Einband.
    »Ich, Myrtle …« sagte der Polizist.
    »Ich, Myrtle …« wiederholte sie, als müßte sie an den Wörtern ersticken.
    »Okay«, sagte er. »Das reicht für dich.«
    Er drückte einen Stempel auf ihre Antragsformulare und kritzelte auf jedes eine Unterschrift. An der Wand hinter ihm hingen Bilder von der Königin und dem Herzog von Edinburgh. Myrtle lutschte am Daumen und starrte mit hervorquellenden Augen auf die Diamanten der Königin.
    »Und was willst du sonst noch?« fragte er.
    »Nichts«, antwortete Rosie für ihre Schwester.
    Die Mädchen rannten davon, vorbei an der Fahnenstange und über die vom Regen aufgeweichte Wiese. Es hatte den ganzen Tag geregnet. Sie platschten durch die Pfützen zu einer Gruppe von Jungen, die einen Fußball kickten.
    Der Polizist war gedrungen, scharlachrot im Gesicht, mit stämmigen Beinen und geradezu unglaublichen Muskeln. Er triefte von Schweiß, und seine karottenroten Locken klebten ihm auf der Stirn. Er trug ein kurzes, ärmelloses, eisblaues Trikot, das seidig schimmerte. Seine Brustmuskulatur war so stark entwickelt, daß die Träger in den Mulden versanken und seine Brustwarzen zu sehen waren.
    »Hallo, Ark«, sagte er.
    »Red«, sagte Arkady, »ich möchte dich mit meinem Freund Bruce bekannt machen.«
    »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Bruce«, sagte Red.
    Wir standen hinter dem Spiegelglasfenster und sahen nach draußen auf den leeren Horizont. Wasserlachen bedeckten den Boden und überschwemmten mehrere Aborigine-Hütten bis über einen Fuß hoch. Die Bewohner hatten ihren Hausrat auf dem Dach angehäuft. In dem Wasser trieb Abfall.
    Etwas weiter nach Westen hin erhob sich das zweistökkige ehemalige Haus des Administrators, das inzwischen der Gemeinde übergeben worden war. Das Dach war noch vorhanden, und drinnen gab es Fußböden und Kamine. Aber die Wände, die Fensterrahmen und die Treppe waren als Brennholz verfeuert worden.
    Wir sahen durch dieses Röntgen-Haus hindurch in den gelben Sonnenuntergang. In beiden Stockwerken saßen dunkle Gestalten im Kreis und wärmten sich über einem zugigen Feuer.
    »Die Wände sind ihnen scheißegal«, sagte Red, »aber ein Dach gegen den Regen, da haben sie nichts dagegen.«
    Arkady sagte ihm, daß wir nach Cullen unterwegs seien. »Kleiner Streit zwischen Titus und der Amadeus-Sippe.«
    »Ja«, nickte Red. »Ich habe davon gehört.«
    »Wer ist Titus?« fragte ich.
    »Das werden Sie sehen«, sagte Arkady. »Das werden Sie schon sehen.«
    »Ich werde mich nächste Woche selber auf den Weg dorthin machen«, sagte Red. »Muß mich nach der Planierraupe umsehen.«
    Clarence Japaljarrayi, der Älteste von Cullen, hatte die Planierraupe von Popanji ausgeliehen, um eine Straße von der Siedlung zu einer Wasserstelle zu bauen.
    »Das war vor neun Monaten«, sagte Red. »Und jetzt sagt der Scheißkerl, er hätte sie verloren.«
    »Eine Planierraupe verloren?« Arkady lachte. »Du lieber Himmel, man kann doch nicht eine Planierraupe verlieren.«
    »Na ja, wenn einer eine Planierraupe verlieren kann«, sagte Red, »dann ist es Clarence.«
    Arkady fragte, wie die Straße weiter vorn aussehe. Red spielte mit der Schnalle seines Koppels.
    »Kein Problem für euch«, sagte er. »Stumpy Jones wäre bei dem schweren Sturm am Donnerstag beinahe steckengeblieben. Aber Rolf und Wendy sind gestern durchgefahren, und heute morgen haben sie per Funk durchgegeben, daß sie angekommen sind.«
    Er trat unruhig von einem Fuß auf den andern. Man sah ihm an, daß er darauf brannte, zu seinen Gewichten zurückzukehren.
    »Nur noch eines«, sagte Arkady. »Hast du vielleicht den alten Stan Tjakamarra gesehen? Ich habe mir gedacht, daß wir ihn mitnehmen sollten. Er versteht sich ziemlich gut mit Titus.«
    »Ich glaube, Stan ist auf Buschwanderung«, sagte Red. »Sie haben die ganze Woche lang initiiert. Es war ein schönes Durcheinander, das kann ich dir sagen. Ihr könnt Lydia fragen.«
    Lydia war eine von zwei Lehrern, die hierher entsandt worden waren. Wir hatten sie über Funk benachrichtigt, daß sie mit uns rechnen könne.
    »Wir sehen uns später«, sagte Red. »Sie kocht heute abend.«
    Der Polizeiposten von Popanji war ein flaches, in drei gleich große Räume aufgeteiltes Betongebäude: ein Dienstraum, die Privatwohnung des Polizisten und der Raum, den Red zum Gewichtheben benutzte. Im Hinterhof war ein Gefängnis.
    Der Gewichtheberaum hatte ein Fenster, das von einer Wand zur anderen reichte,

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