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Traumreisende

Traumreisende

Titel: Traumreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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»Wir sind die Kinder der Traumzeit - die einzigen, die verstehen, was es heißt, Menschen zu sein. Wir müssen die Träume leben. Das ist der einzige Weg. Der einzige Weg, unserem Volk zu helfen, der Welt zu helfen. Der weiße Mann denkt, alle Aborigines wären aus der Wüste gekommen, aber mein Volk stand vor Tausenden von Jahren hier an dieser Stelle, und dies war unser Land. Unser Land reichte vom Meer bis in die Berge. Es gab keine Landkarten aus Papier zum Entrollen. Die Grenzen waren >songlines<. Alles wurde durch Lieder und Rhythmen beschrieben und verankert. Die benachbarten Stämme kannten unser Lied und erkannten die Bäume, die Flüsse, die Felsen und die Berge, die wir besangen. Unsere Vorfahren schufen diesen Ort für uns durch ihr Träumen, und es war ein Ort der Ehre, der Würde und des Glücks. Wir waren gute Hüter unserer Mutter Erde.
    Aber der weiße Mann kam und brachte andere in Ketten mit, und die lernten unseren Gesang nicht. Tatsächlich machten sie sich über unsere Musik und unsere Lebensweise lustig. Ihre Köpfe waren unseren Träumen verschlossen.« Sie begann zu singen: »Na na num que, num que, num que.«
    Beatrice war fasziniert von der alten Sprache, an die sich die alte Frau noch aus ihrer Kindheit erinnerte. Als sie fertig war, einigten sie sich darauf, dass Beatrice noch ein paar Tage bleiben und einige der Wörter und Lieder lernen würde. Aus den paar Tagen wurde schnell ein Monat. Sie half mit, wo sie konnte, und steuerte Geld zur Verpflegung der Gruppe bei. Pauline nahm sie zu einem Billigladen mit, wo Kleidungsstücke, die früher einmal jemand anderem gehört hatten und gespendet worden waren, zu sehr geringen Preisen verkauft wurden.
    Beatrice kaufte sich zwei Kleider, ein Paar Leinenschuhe und eine kleine blaue Reisetasche, um ihre Sachen darin zurückzubringen. Bei einem der täglichen Gespräche zwischen Beatrice und der alten Tante ging es um die Religion. »Ich mag das Christentum«, sagte die alte Frau, während sie ihren gebeugten, buckligen Rücken dehnte und sich an einen Baum lehnte, um bequemer zu sitzen. »Ich mag die Jesusgeschichten und die schöne Orgelmusik. Aber diese zehn Regeln, auf die sie so stolz sind, die hab' ich nie verstanden. Gott hat einem Mann gesagt, er soll sie auf Steine schreiben, aber ich denke, etwas stimmt da nicht.
    Eine Regel sagt, man solle seine Eltern ehren. Warum sollte die Göttliche Einheit das aufgeschrieben haben wollen, wenn sie uns so geschaffen hat, dass wir mit der Liebe zu unseren Eltern geboren werden? Das braucht man einem Kind nicht beizubringen. Vielleicht lautete die Regel eigentlich: >Tue nichts, wodurch deine Kinder ihre Liebe zu dir verlieren.< Vermutlich hat der Mann gedacht, das wäre zu lang, um es aufzuschreiben, und hat es darum abgekürzt.

    Es gibt noch eine Regel, die sagt, dass man nicht stehlen solle, aber jeder weiß, wenn du auf deine Gefühle hörst, würdest du dich immer schlecht fühlen, wenn du dir ohne Erlaubnis etwas nimmst. Und sie sagen, es wäre eine Regel, dass man sich an einem Tag in der Woche an Gott erinnert. Ich kann nicht glauben, dass die Göttliche Einheit je gesagt hat, das solle aufgeschrieben werden. Wir ehren die Einheit in allen Dingen, jeden Tag, den ganzen Tag lang. Es ist zu schade, dass die Zeremonien, die Tänze und die Sprachen unserer Völker vergessen werden, aber irgendwie wird das Gute kommen, das weiß ich. Es dauert vielleicht noch einmal tausend Jahre«, sagte sie scherzend, »aber irgendwann wird es kommen. Wir dürfen unser Träumen nicht aufgeben. Beatrice, wenn du das Träumen lebst, werden die Menschen, die du kennen lernen musst, dich finden.«
    Am folgenden Mittwoch rupften Pauline und Beatrice Hühner im Hof. Sie hatten einen großen Eisentopf mit kochendheißem Wasser, in das sie das Geflügel eintauchten, bevor sie die gelockerten Federn mit vollen Händen herauszogen. Während rote Federn an ihren Armen und der Vorderseite ihres Kleides klebten und sie den eigenartigen Geruch von nassen Federn einatmeten, sagte Beatrice: »Ich muss gehen, Pauline. Ich muss unbedingt mit den Leuten im Norden Zusammensein.«
    »Bleib hier. Zusammen können wir vielleicht etwas für unser Volk tun. Zwei Menschen sind besser als einer. Ich brauche hier deine Hilfe, und die Leute im Norden brauchen dieselben Dinge wie wir«, erwiderte Pauline ungehalten.
    »Vielleicht wird es uns allen auf andere Weise helfen, unsere Wurzeln zu finden«, sagte Beatrice besänftigend. »Nur

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