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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Blättern, so daß sie eine sichtbare Fährte hinterließ. Einmal blickte sie sich um: Ihre Fußspuren zeichneten sich bis zurück an den Rand der Klippe auf dem Rot als lebhaft blaurote Druckstellen ab. Die Spuren des Verrückten waren wesentlich schwächer. Er schlich ihr ein wenig weiter seitlich hinterher, so daß er die Kuppel ständig im Blickfeld hatte, nicht ganz so stark von Furcht vor North erfüllt wie mit dem Verlangen nach einer Traumschlange. Die längliche Kuppel war noch bedeutend größer, als sie aus einiger Entfernung aussah. Ihre durchsichtige Seite erhob sich in einer gewaltigen, sanft geschwungenen Wölbung bis zum höchsten Punkt ihrer Oberfläche, dessen Höhe das Vielfache von Schlanges Größe ausmachte. Die Seite, der sie sich näherten, war von bunten Adern durchzogen. Erst weit zur Rechten, am entfernteren Ende der Kuppel, verblaßten sie zum ursprünglichen Grau. Nach links besaßen die Adern dagegen, je mehr sie dem schmaleren Ende des Baus zuliefen, immer grellere Farben. Schlange erreichte die Kuppel. Die dünnen roten Blätter wuchsen an ihrer Wandung bis in Kniehöhe empor, aber darüber war das kristallene Plastikmaterial frei von Pflanzen. Schlange hielt ihr Gesicht ganz nahe daran und spähte zwischen einer orangenen und einer blauen Ader hinein, schirmte den Sonnenschein mit den Händen ab, aber die Gebilde drinnen waren noch immer unbestimmbar und unkenntlich. Nichts bewegte sich. Sie folgte dem Verlauf der farbigen Adern in Richtung ihrer farblichen Verstärkung.
    Als sie das schmale Ende des Gebäudes umrundete, sah sie, warum man es eigentlich eine zerstörte Kuppel nannte. Was die Oberfläche der Kuppel auch zum Erweichen gebracht haben mochte, es mußte eine unfaßbare Gewalt gewesen sein, denn es hatte ein Loch in das Material geschmolzen, das Schlange stets als unzerstörbar erachtete. Die regenbogenbunten Adern nahmen über blasig aufgeworfenes Plastik ihren Ausgang rings um dieses Loch. Die Hitze mußte die Substanz verhärtet und spröde gemacht haben, denn die Ränder der Öffnung waren abgebrochenund hatten einen geräumigen, unregelmäßig geformten Zugang hinterlassen. Überall am Untergrund lagen Plastiktropfen verstreut, durchsichtige Kügelchen, die zwischen den Blättern des Pflanzenwuchses außerirdischer Herkunft schillerten. Vorsichtig näherte sich Schlange dem Loch. Der Verrückte hob erneut seinen jammervollen Summsingsang an.
    »Scht!«
    Schlange drehte sich nicht um, aber er verstummte. Voller Faszination stiegSchlange durch das Loch ins Innere. Sie nahm die scharfen Kanten der Öffnung, als ihre Handflächen deren Seiten berührten, nicht recht zur Kenntnis, obwohl sie sie spürte.
    Jenseits der Bresche, wo die Seitenwand sich ein-und aufwärts gewölbt hatte, als sie noch unbeschädigt war, um oben ins Dach überzugehen, war bis fast in Schlanges Kopfhöhe ein regelrechter Bogengang aus Plastik herabgesackt. Hier und da war das Plastik zerlaufen und herabgetropft, hatte starre Fäden gebildet, die wie Taue von der Decke bis auf den Boden reichten. Schlange hob eine Hand und berührte behutsam eines dieser Taue. Es dröhnte wie eine riesenhafte Harfensaite, und sie schloß hastig die Faust darum, so daß der Klang verstummte.
    Das Licht war drinnen rötlich und gespenstisch diffus; Schlange blinzelte, um ihr Blickfeld zu klären. Aber mit ihren Augen war alles in Ordnung; nur konnten sie sich nicht so rasch an die fremdartige Anlage gewöhnen. Die Kuppel hatte anscheinend einmal eine Art von Garten nach außerirdischem Muster umschlossen, der jedoch mittlerweile längst verwildert war – es bedeckten noch weit mehr Pflanzenarten als nur Wanderkraut und Rotblatt den Boden. Eine riesige Kletterpflanze, deren Stamm dicker war als der dickste Baum, den Schlange je gesehen hatte, krümmte sich an der Innenseite der Wandung empor, tastete sich mit feisten Saugtellern über das nun brüchige Plastik, fraß sich daran fest, um unter der Wölbung des Dachs den begehrten, unersetzlichen Halt zu erlangen. Dieser Riesen-wein begann bereits unter dem Dach einen Baldachin zu flechten. Seine bläulichen Blätter waren winzig und sehr fein, die Blüten dagegen gigantisch; allerdings bestanden sie ihrerseits aus vielen tausend weißen Kelchen, jeder wiederum kleiner als die Blätter.
    Schlange drang weiter zur Mitte vor, wo die Hitze das Dach nicht hatte einsakken lassen. An verschiedenen Stellen hatte der Riesenwein ebenfalls die Wandung zu erklimmen versucht, aber

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