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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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da das Plastikmaterial sich noch als zu glatt zum Festsaugen und zu hart zum Perforieren erwies, war er wieder herabgerutscht.
    Nach den Riesenklimmzügen hatten sich die baumähnlichen Pflanzen gegen die Einengung durch das Kuppeldach aufzulehnen versucht. Eine stand in der Nähe auf einer Erhebung: ein unentwirrbares Durcheinander hölzerner Stengel oderÄste, wie aufgeschichtet und bis weit über Schlanges Kopf emporgetürmt, oben in langsamer Ausweitung begriffen, um unter dem Dach zu einem Trichtergebilde zu verwachsen. Schlange erinnerte sich ungefähr an die Beschreibung des Verrückten und zeigte auf einen im Mittelpunkt auf geschütteten Hügel, der sich bis fast unter den Plastikhimmel erhob.
    »Dorthin, hin?« Sie hörte ihre eigene Stimme geisterhaft wispern.
    Der Verrückte, hinter ihr niedergeduckt, nuschelte irgend etwas, das wie Zustimmung klang. Schlange ging weiter, durchquerte die fein ziselierten Schatten der Knäuelbäume und vereinzelte Flächen farbigen Lichts, das herabfiel, wo der Sonnenschein die adernartigen, regenbogenfarbenen Schadstellen der Kuppel durchdrang. Während Schlange ausschritt, lauschte sie aufmerksam, ob irgendwo eine andere menschliche Stimme ertönte, ob sich das Zischen von verborgen eingenisteten Schlangen vernehmen ließ, auf irgend etwas. Aber selbst die Luft war still. Der Boden begann anzusteigen; sie erreichten den Fuß der zentralen Anhöhe. An manchen Stellen ragte schwarzes Vulkangestein aus der oberen Erdschicht, bei der es sich durchaus um außerirdische Erde handeln mochte. Sie sah zwar völlig normal aus, aber das traf nicht auf die Pflanzen zu, die darin gediehen.
    Hier war der Grund mit etwas bewachsen, das feinem braunen Haar glich und auch die gleiche ölige Beschaffenheit hatte. Der Verrückte eilte voraus, folgte dem Verlauf eines Weges, den es nicht gab. Schlange blieb hinter ihm. Die Anhöhe wurde steiler, und Schweiß trat auf ihre Stirn. Ihr Knie fing wieder einmal zu schmerzen an. Sie fluchte gedämpft. Unter dem Haargras lockerte sich ein Stein, und ihr Fuß glitt ab. Schlange krallte sich ins Gras, um zu verhindern, daß sie stürzte. Es hielt so lange, bis sie das Gleichgewicht wiedererlangt hatte, doch danach klebte eine ganze Handvoll der dünnen Hälmchen zwischen ihren Fingern. Jeder winzige Halm verfügte über ein eigenes Wurzelgespinst, als wäre es tatsächlich Haar. Sie kletterten höher, und noch immer zeigte sich niemand, um ihnen Einhalt zu gebieten. Der Schweiß auf Schlanges Stirn trocknete: die Luft kühlte ab. Der Verrückte – er grinste verstohlen und brummelte unverständlich – stieg eifriger aufwärts. Die Kühle verwandelte sich in ein Säuseln von Luft, die herabströmte wie Wasser. Schlange hatte damit gerechnet, daß es unter dem Kuppeldach schwül von gestauter Wärme sei. Aber je höher sie hinauf kamen, um so kühler und kräftiger ließ sich der Luftzug verspüren. Sie gelangten aus dem Gürtel von Haargras und in einen weiteren Baumbestand. Diese Bäume ähnelten denen, die unten wuchsen, sie besaßen dicke, knorrige Wurzeln und turmartige Kronen aus ineinander verworrenen Zweigen, besetzt mit kleinen, flattrigen Blättchen; hier jedoch waren sie nur wenige Meter hoch und standen grüppchenweise zusammen, zu zweien oder dreien, wobei sie sich gegenseitig im Wachstum behinderten. Das Wäldchen verdichtete sich nach oben hin. Schließlich gerieten sie auf einen Trampelpfad, der sich zwischen den knorrigen Wurzelstrünken emporwand. Als sich die Baumkronen über ihren Köpfen zu einem Laubdach schlossen, holte Schlange den Verrückten ein und hielt ihn fest.
    »Von jetzt an gehst du hinter mir, klar?« Er nickte, ohne sie anzuschauen.
    Die Kuppel zerstreute das Sonnenlicht, so daß nichts einen anständigen Schatten warf, und die Helligkeit genügte kaum, um das unregelmäßige, knotige Geäst zu durchdringen. Winzige Blätter bebten im Luftstrom, der durch die Schneise blies. Schlange ging weiter. Der Felsboden unter ihren Füßen war einem weichen Trampelpfad aus Humus und gefallenem Laub gewichen. Rechts erhob sich aus der Flanke des Hügels ein ungeheurer Felsklotz, dessen Fläche leicht schräg war; er bildete eine Felsbank, von der aus man sicher den größten Teil des Kuppelinnern überblicken konnte. Schlange überlegte, ob sie diese Möglichkeit wahrnehmen solle; aber sie begäbe sich damit selbst in ein allgemeines Blickfeld. Sie wollte North und seinen Leuten keinen Vorwand liefern, um sie des

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