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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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daß...«
    »Psst, Alex«, flüsterte Merideth.
    »Es tut mir leid«, sagte Schlange. »Ich hätte es euch verheimlichen können, aber nicht allzu lang.«
    Merideth streifte Jesse eine Locke ziegelroten Haars aus der Stirn. »Nein, es ist besser, das gleich in vollem Umfang erfahren zu haben... so daß wir eher lernen, damit zu leben.«
    »Jesse wird uns für diese Art von Leben nicht dankbar sein.«
    »Sei still, Alex! Wäre es dir lieber, der Sturz hätte sie das Leben gekostet?«
    »Nein!« Er senkte seinen Blick zum Zeltboden, bevor er leise weitersprach. »Aber es könnte sich erweisen, daß es ihr lieber wäre, und das weißt auch du.«
    Merideth starrte Jesse an und sagte zunächst nichts.
    »Du hast recht.«
    Schlange sah Merideths linke Hand zittern, zur Faust geballt.
    »Alex, würdest du dich wohl um meine Stute kümmern? Wir haben sie stark geschunden.«
    Alex zögerte, jedoch nicht, wie Schlange bemerkte, aus Widerwillen dagegen, Merideths Wunsch zu erfüllen.
    »Gut, Merideth, wird gemacht.« Er ließ sie allein.
    Schlange wartete. Sie hörten Alex‘ Stiefel im Sand, dann die langsamen Schritte des Pferdes. Jesse regte sich im Schlaf, seufzte. Merideth fuhr auf, als er den Laut vernahm, atmete tief ein, vermochte aber nicht sein plötzliches, abgrundtiefes Schluchzen zu unterdrücken. Tränen glitzerten im Lampenschein, funkelten wie Schnüre aufgehängter Diamanten. Schlange rückte näher und nahm Merideths Hand; tröstete ihn, bis seine Faust sich lockerte.
    »Ich wollte nicht, daß Alex sieht...«
    »Ich weiß«, sagte Schlange. Und Alex weiß es auch, dachte sie. Diese Leute beobachteten einander genau. »Merideth, kann Jesse die Wahrheit ertragen? Ich verabscheue Geheimnistuerei, aber...«
    »Sie ist willensstark«, entgegnete Merideth. »Was wir auch zu verbergen versuchten, sie fände es heraus.«
    »Nun gut. Ich will sie jetzt wecken. Sie sollte mit dieser Kopfverletzung nicht mehr als jeweils ein paar Stunden hintereinander schlafen. Und man muß sie alle zwei Stunden umdrehen, oder ihre Haut wird wund.«
    »Ich wecke sie.«
    Merideth beugte sich über Jesse und küßte ihre Lippen, hielt ihre Hand, flüsterte ihren Namen. Es dauerte lange, bis sie aufwachte; sie murmelte und schob Merideths Hände fort. »Können wir sie nicht noch länger schlafen lassen?«
    »Es ist besser, sie für ein Weilchen zu wecken.«
    Jesse stöhnte, fluchte gedämpft, öffnete die Augen. Einen Moment lang starrte sie empor zum Zeltdach, dann wandte sie den Kopf und sah Merideth.
    »Merideth... ich bin froh, daß du wieder hier bist.« Ihre Augen waren tief dunkelbraun, fast schwarz, ein seltsamer Anblick bei ihrem roten Haar und der hellen Haut. »Der arme Alex...«
    »Ich weiß.«
    Jesse sah Schlange. »Die Heilerin?«
    »Ja«
    Jesse musterte sie mit ruhigem Blick, und ihre Stimme klang gleichmäßig. »Ist mein Rücken gebrochen?«
    Merideth zuckte zusammen. Schlange zögerte, aber der Unumwundenheit der Frage ließ sich nicht ausweichen, nicht einmal für eine kurze Frist. Widerwillig nickte sie. Jesse erschlaffte völlig unvermittelt, ihr Kopf sank zurück, sie starrte aufwärts. Merideth beugte sich erneut über sie und schloß sie in seine Arme.
    »Jesse, Jesse, Liebste, es ist...«
    Aber er fand keine weiteren Worte, er lehnte sich stumm über ihre Schulter, drückte Jesse an sich. Jesse richtete ihren Blick wieder auf Schlange.
    »Ich bin gelähmt. Ich werde nicht genesen.«
    »So tief ich‘s bedaure, ja«, antwortete Schlange. »Ich sehe keinerlei Aussichten.«
    Jesses Miene blieb unverändert; falls sie sich Ermutigung erhofft hatte, verriet sie ihre Enttäuschung nicht.
    »Ich merkte schon, daß es schlimm ist, als ich aufprallte«, sagte sie. »Ich hörte Knochen krachen.« Sanft schob sie Merideth zur Seite.
    »Das Fohlen?«
    »War tot, als wir dich fanden. Das Genick gebrochen.«
    Jesses Stimme bezeugte Erleichterung, Bedauern und Furcht.
    »Es ging schnell«, sagte sie. »Bei ihm.«
    Der scharfe Geruch von Urin begann sich im Zelt auszubreiten. Jesse roch ihn und errötete aus Scham.
    »So kann ich nicht leben«, rief sie.
    »Das ist nicht schlimm, sorge dich nicht«, sagte Merideth und holte eilig ein Tuch. Jesse schaute seitwärts und sprach kein Wort, während Merideth und Schlange sie säuberten.
    Müde kehrte Alex zurück.
    »Die Stute ist in Ordnung.« Aber seine Gedanken weilten nicht bei der Stute. Er betrachtete Jesse, die ruhig lag, das Gesicht zur Zeltwand gekehrt, einen Arm über den

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